Verkehrssicherung im Nationalpark Jasmund

20.000 Festmeter

Als Folge des ministeriellen Besuchs rechnete das NLP-Amt hoch, wie viel Holz einzuschlagen wäre, wenn die Verkehrssicherung gewährleistet sein sollte. Die Hochrechnungen erschreckten alle: einzuschlagen waren rd. 20.000 Fm. ((Diese erste Schätzung erweist sich heute als zu hoch. So viel Verkehrssicherungsholz wird nicht eingeschlagen werden.)) Denn die zu fällenden Bäume waren nicht nur schön, sie waren auch hoch und sie waren so dick, dass man sie nicht mehr umgreifen konnte. Und ein dicker hoher Baum hat auch viele Fm. Nun rächte sich, dass man 25 Jahre nur wenig gemacht hatte. Hätte man diese lange Zeit genutzt, hätte man viel mehr liegen lassen können. Das hätte viel schicker ausgesehen und man hätte nicht in kurzer Zeit so massiv zugreifen müssen. Aber der Stau an Verkehrssicherung musste nun innerhalb weniger Jahren abgearbeitet werden. Die prognostizierten Kosten für die gesamte Maßnahme beliefen sich fast auf eine halbe Million €. Deshalb und wegen dem engen Zeitfenster, der pro Jahr zur Verfügung steht, beschloss das Amt, die Maßnahme auf sieben Jahre zu strecken und bei der Kante zur Stadt Sassnitz anzufangen. Und sie wollte die Öffentlichkeit auf diese Maßnahme vorbereiten. So machte sie ein Jahr Pressearbeit. Stodian informierte die Stadtvertretung. Er arbeitete Vorträge aus, die er der Öffentlichkeit anbot. Leider hat es zunächst niemanden interessiert. Erst als das Amt anfing, Bäume zu fällen, regte sich Interesse. Und Stodian marschierte wieder los, erklärte die Maßnahme und die Rechtslage und zeigte seine Bilder.

Zur Straße L 303, die 2019 in den Medien war, sagt Stodian, es wäre das Schönste, wenn der NLP diese Straße los wäre. Denn nun sieht es in manchen Zeitungen so aus, als sei der NLP angetreten, im großen Stil Bäume umzulegen. In den 90er Jahren gab es tatsächlich Überlegungen, Alternativen für diese Straße zu finden. Aber Bewohner der Dörfer an der Nordküste hätten dann einen langen Umweg fahren müssen, z. B. um die Bundesstraße 96 oder ihren Arbeitsplatz in Sassnitz zu erreichen. “Dann würden wir hier gelyncht!”, sagt Stodian. Deshalb war es politisch nie durchsetzbar, diese Straße zu entwidmen. Auch andere NLPs in Deutschland haben das nicht geschafft: Kreis- und Landesstraßen, die zur Gründung eines NLPs schon da sind, haben Bestandsschutz. ((Nicht nur NLPs haben dieses Problem: auch Großschutzgebiete wie der Saarbrücker Urwald. Die L258 führt mitten durch den “Urwald vor den Toren der Stadt” und teilt das Totalreservat in zwei Teile. (siehe Wanderkarte) An der L258 herrscht selbstverständlich Verkehrssicherungspflicht.))

75 ha Kontrollfläche

Das große Problem an dieser und anderen öffentlichen Straßen im und am NLP ist, dass die Bäume dort wegen des hohen Lichtangebots extrem gut wachsen und auch sehr dicht stehen: ((siehe auch NLP Jasmund – Wenn Bäume zur Gefahr werden – Dichte Wälder an der Straße machen besonderen Eingriff erforderlich))

© Ingolf Stodian

Manchmal stehen auf nur einem Quadratmeter vier Buchen, die auch schon 30 cm Durchmesser haben.

© Ingolf Stodian

Die Folge ist, dass durch die Konkurrenz der Bäume untereinander die Hälfte ausfallen wird. Unterständige Bäume werden mittelfristig absterben und sie brechen dann womöglich auf die Straße ab. Es ist aber unmöglich, jedes Jahr einen 9 km langen Streifen 30 m links und rechts der Straße zu kontrollieren. Die zu kontrollierende Fläche ist mit insgesamt ca. 75 ha viel zu groß: Man kann nicht jedes Jahr jeden Baum neu begutachten und ihn dann erst fällen, kurz bevor er umfällt. Zumal der Termin seines Umfallens ja auch nicht genau vorhersehbar ist.

© Ingolf Stodian

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