UNESCO-Welterbe für den Nationalpark Bayerischer Wald?

Als ich zum ersten Mal von dem Vorschlag hörte, dachte ich, es müsse sich um einen Scherz handeln: Im Juli 2014 berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass Franz Leibl, Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald, die 1.900 ha Kahlschläge zwischen Falkenstein und Rachel als Naturzone ausweisen lassen wollte. ((siehe Tricksen, Tarnen, Täuschen, Süddeutsche Zeitung vom 16. Juli 2014))

Riesenkahlschlag am Hirschgespreng – bald UNESCO-Welterbe?

Der Plan scheiterte am Widerstand von Bürgermeistern und Landräten im Kommunalen Nationalparkausschuss. Leibl lässt von seinem Vorhaben nicht ab: In diesem Jahr ist ein neuer Anlauf geplant – Fachbeirat und der Nationalparkausschuss sollen den Vorschlag noch einmal “fachlich bewerten”. ((siehe Jahresbericht 2014, S. 10)) Warum stellt Leibl nicht gleich einen Antrag auf Aufnahme der Kahlschläge in die UNESCO-Welterbeliste?

In Deutschland herrschte bislang völlige Übereinstimmung darüber, welche Wälder so schutzwürdig sind, dass man sie in einem Nationalpark unter Totalschutz stellt und zur Naturzone ((zur Zonierung siehe Management im NLP Bayerischer Wald)) erklärt: Es handelt sich immer um alte Wälder, in denen seit Jahrzehnten kein Baum mehr gefällt wurde. Beispiele sind der Brockenurwald im NLP Harz oder der Bannwald am Wilden See im NLP Schwarzwald. Im Erweiterungsgebiet des NLP Bayerischer Wald wurden 1997 sofort die Naturwaldreservate Mittelsteighütte, Watzlik-Hain und Höllbachgspreng zur Naturzone erklärt.

Entwicklungszone am Rindelloch

Weil es von diesen urwaldartigen Wäldern aber so wenige gibt, erfand man das Konzept der Entwicklungszonen: So sollen in einem Übergangsprozess von maximal 30 Jahren beispielsweise naturferne Fichtenforste durch das Anpflanzen von jungen Buchen in naturnahe Buchenwälder umgebaut werden. Ich halte schon dieses Konzept für idiotisch. ((siehe z. B. Waldentwicklung als Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung)) Vollends auf die Spitze treibt es die Nationalparkverwaltung, wenn sie nun Kahlhiebe zur ultimativen Entwicklungsmaßnahme erklärt. Leibl und Waldmanager Baierl vom Sachgebiet IV drücken quasi auf den Reset-Knopf: Alles auf Anfang! Restlos alle Bäume werden “eingeschlagen und das Holz an regionale Sägewerke verkauft”. ((siehe Jahresbericht 2014, S. 10)) Es entsteht eine Welt wie am ersten Schöpfungstag: “Und die Erde war wüst und leer.” ((Genesis 1,2)) Diese leere Wüste erklärt man dann zur Naturzone.

Ruckwiesberg: Alles auf Anfang!

Wer die Chuzpe hat, Kahlschläge als Naturzonen auszuweisen, der kann auch gleich deren Aufnahme in die Liste der UNESCO-Welterbestätten beantragen. Warum nicht? Hirschgespreng, Lackenberg, Rindelloch, Ruckwiesberg, Neubruck – das Schönste, was Mensch und Natur uns hinterlassen haben! Die 10 Aufnahmekriterien erfüllen die Kahlschläge mit Leichtigkeit. Wie wäre es mit folgenden Begründungsvorschlägen?

Die Riesenkahlschläge im Nationalpark Bayerischer Wald …

  • sind Meisterwerke der menschlichen Schöpferkraft (Kriterium 1).
  • zeigen im Kulturgebiet des Bayerischen Waldes einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf die Entwicklung der Technik und der Landschaftsgestaltung (Kriterium 2).
  • stellen in ihrer Größe ein einzigartiges und ein außergewöhnliches Zeugnis der Tradition der Waldrodung und der Kultur der Nachhaltigkeit dar (Kriterium 3).
  • bilden ein hervorragendes Beispiel eines Typus einer Landschaft, die die Bekämpfung des Borkenkäfers versinnbildlicht. Der Kampf der Menschheit gegen Schädlinge ist ein bedeutsamer Abschnitt in der Geschichte der Menschheit (Kriterium 4).
  • sind ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Waldnutzung, die für die menschliche Kultur typisch ist. Sie spiegeln die Wechselwirkung zwischen Mensch und Fichtenwald wider, der unter dem Druck des unaufhaltsamen Klimawandels vom Untergang bedroht ist (Kriterium 5).
  • sind in erkennbarer Weise verknüpft mit den überlieferten Glaubensbekenntnissen der deutschen Forstwirtschaft. Deren Nachhaltigkeitsidee ist von universeller Bedeutung für die Menschheit (Kriterium 6).
  • sind Gebiete von außergewöhnlicher Naturschönheit und ästhetischer Bedeutung (Kriterium 7).
  • sind ein außergewöhnliches Beispiel für die Entwicklung des Lebens und wesentlicher im Gang befindlicher Prozesse bei der Entwicklung von Landschaftsformen (Kriterium 8).
  • sind ein außergewöhnliches Beispiel eines bedeutenden im Gang befindlichen ökologischen und biologischen Prozesses in der Evolution und Entwicklung von Land-Ökosystemen sowie Pflanzen- und Tiergemeinschaften (Kriterium 9).
  • sind ein Lebensraum, der für die In-situ-Erhaltung der biologischen Vielfalt bedeutsam und typisch ist. Sie enthalten bedrohte Arten, welche sowohl aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind (Kriterium 10).

Bampferfleck – ein Meisterwerk menschlicher Schöpferkraft