Wanderung Welyka Uholka

Exkurs: Ersatzkronenbäume und der Mattschwarze Schnellkäfer

Ersatzkronenbäume gehören zu den Mikrohabitatbäumen. Das sich zersetzende Totholz von Ersatzkronenbäumen bietet für viele Lebewesen sehr interessante und seltene Mikrohabitate. Denn Ersatzkronenbäume haben sowohl “Eigenschaften des stehenden Totholzes” abgestorbener Bäume als auch des “Totholzes im Inneren lebender Bäume”. Ersteres hat viele unterschiedliche “Zersetzungs- und Durchfeuchtungsstufen”. Letzteres wird “durch Transpirations- und Assimilatströme beständig durchfeuchtet”. ((Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft Brandenburg (Hg.), Praxishandbuch – Naturschutz im Buchenwald. Naturschutzziele und Bewirtschaftungsempfehlungen für reife Buchenwälder Nordostdeutschlands, 22016, S. 86, Hervorhebung von F.-J. A.)) Mit Transpirationsströmen meint man die Ströme des Mineralstoffe enthaltenden Wassers aus dem Boden in die Blätter ((siehe Wassertransport in Pflanzen)), mit Assimilatströmen die Ströme des Zucker enthaltenden Wassers in umgekehrter Richtung. Der Zucker wird bei der Photosynthese in den Blättern produziert. ((siehe Transport (Biologie) – Weitere Transportsysteme)) Ersatzkronenbäume bieten also ein ganz besonderes Mikroklima und sie tun dies dauerhaft und stabil über viele Jahre und sogar Jahrzehnte.

“Dicke Ersatzkronenbäume werden vom Mattschwarzen Schnellkäfer regelmäßig genutzt […].” ((Praxishandbuch, S. 87, Hervorhebung von F.-J. A.))

Der Mattschwarze Schnellkäfer (Megapenthes lugens) aus der Familie der Schnellkäfer (Elateridae) ist nur 7,5 – 10,5 mm klein. Seine Larven leben räuberisch in dem “verpilzten Wandholz von Stammhöhlen”. ((Möller, Georg; Grube, Reiner; Wachmann, Ekkehard: Der Fauna-Käferführer I – Käfer im und am Wald, Nottuln 2006, S. 103)) Dort jagen sie die Larven von Holzrüsselkäfern (Cossoninae). ((Ein Beispiel für einen Holzrüsselkäfer ist der Gemeine Faulholzrüssler.))

Megapenthes lugensMattschwarzer Schnellkäfer (Megapenthes lugens), Foto: Hervé Bouyon

In Deutschland ist der Mattschwarze Schnellkäfer “wegen intensiver Forstwirtschaft” ((ebd.)) vom Aussterben bedroht (Rote Liste Kategorie 1) und zählt zu den sogenannten Urwaldreliktarten. ((siehe Jörg Müller u. a., Urwaldrelikt-Arten – Xylobionte Käfer als Indikatoren für Strukturqualität und Habitattradition, Waldökologie online 2005, Heft 2, S. 106 – 113)) Der Schnellkäfer ist nämlich alles andere als schnell: Er ist nicht besonders mobil und flugfreudig und seine Ausbreitungsfähigkeit ist begrenzt.

“Daher findet man die Art fast nur in historisch alten Wald- und Baumbeständen, die über eine Jahrhunderte lange Tradition lebender, anbrüchiger Altbäume verfügen.” ((Praxishandbuch, S. 87))

Megapenthes_lugens_Chalupa

Mattschwarzer Schnellkäfer (Megapenthes lugens), Foto: Zdeněk Chalupa

In Nordostdeutschland konnte der Mattschwarze Schnellkäfer nur inlangfristig ungenutzten Referenzflächen” nachgewiesen werden: am Faulen Ort und in den Heiligen Hallen. ((ebd., Hervorhebung von F.-J. A.))

Im Praxishandbuch – Naturschutz im Buchenwald. Naturschutzziele und Bewirtschaftungsempfehlungen für reife Buchenwälder Nordostdeutschlands wird empfohlen, “eine hohe Anzahl von Mikrohabitaten anzustreben”. ((S. 44)) Als Richtschnur dienen 50 Mikrohabitate pro ha in naturnah bewirtschafteten Flächen und 70 Mikrohabitate pro ha in Naturschutzgebieten. Da ein Habitatbaum mehrere Mikrohabitate haben kann, ist die tatsächliche Anzahl von Mikrohabitatbäumen deutlich geringer.

Ein Vergleich mit den Zahlen für den Buchenurwald von Uholka macht deutlich, wie niedrig die Empfehlungen sind. In Uholka wurden pro ha 142,6 ± 12,1 Mikrohabitatbäume gezählt. ((siehe Brigitte Commarmot, Meinrad Abegg, Urs-Beat Brändli, Martina L. Hobi, Mykola Korol, Adrian Lanz: Main results. In: Commarmot, B.; Brändli, U.-B.; Hamor, F.; Lavnyy V. (Hg.): Inventory of the Largest Primeval Beech Forest in Europe. A Swiss-Ukrainian Scientific Adventure. Birmensdorf, Swiss Federal Research Institute WSL; L’viv, Ukrainian National Forestry University; Rakhiv, Carpathian Biosphere Reserve, 2013, S. 54, Tabelle 6.9, siehe auch Abb. 6.17 auf S. 55 mit einer schönen Zeichnung unterschiedlicher Mikrohabitate))

Nach oben
Zurück zur Einleitung
Nächste Seite: Von der Milchsteinhöhle zum Riesenfelsen – Fortsetzung