Vorteile der Baummikrohabitate für Bürgerinitiativen

Einleitung

Baummikrohabitate sind nicht nur ein Schlüssel für die Erhaltung gefährdeter Arten. Sie können auch ein Schlüssel für den Erfolg von Bürgerinitiativen sein, die diese gefährdeten Arten schützen wollen. In diesem Artikel möchte ich 5 Vorteile von Baummikrohabitaten erläutern:

Außerdem stelle ich Empfehlungen für die Anzahl der Mikrohabitate vor.

Vorteil 1 – Versachlichung der Diskussion

Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Neben einer Stadt liegt ein Wald, der von den Stadtbewohnern gerne zur Naherholung genutzt wird. Vor einem Jahr ist der zuständige Förster in den wohlverdienten Ruhestand gegangen. Seit sein junger Nachfolger im Amt ist, weht ein frischer Wind durch den Wald. Immer häufiger fällt Spaziergängern das Kreischen der Motorsägen auf. Die schönen alten Bäume werden immer weniger. Wanderwege verwandeln sich wegen der schweren Forstmaschinen immer öfter in Schlammwüsten. Leserbriefe in der Tageszeitung warnen vor einem Ausverkauf des Stadtwalds. Eine Bürgerinitiative gründet sich. Der neue Förster erscheint zu einer Diskussionsveranstaltung. Der Sprecher der Bürgerinitiative beginnt:

“Bitte erklären Sie uns Ihre Art der Bewirtschaftung des Stadtwalds!”

Der junge Förster ist nicht auf den Mund gefallen und hält eine lange Rede:

“Holz ist ein wunderbarer Rohstoff. … Wir schützen das Klima. … Wir wirtschaften nachhaltig. … Wir fällen nur so viel, wie auch wieder nachwächst. … Wir schützen die Artenvielfalt. … Wir haben viele Biotopbäume im Wald. … Wir wirtschaften naturnah.”

Vielleicht entwickelt sich daraufhin folgendes Streitgespräch:

“Wir glauben ihnen nicht, dass ihre Bewirtschaftung naturnah ist.”
“Aber sie ist naturnah!”
“Ist sie nicht!”
“Ist sie doch!”
“Nein!”
“Doch!”
“Nein!”

Vielleicht werden einige Mitglieder der Bürgerinitiative nun wütend und rufen wild durcheinander:

“Das glauben wir Ihnen nicht!”
“Sie lügen!”
“Das sieht nicht naturnah aus!”
“Die schönen alten Buchen!”
“Sie Holzmacher!”
“Ihnen geht es doch nur ums Geld”

Die Stimmung im Saal kippt, Mitglieder der Bürgerinitiative ballen die Fäuste und schreien den Förster an. Am nächsten Tag bekommt die Bürgerinitiative eine ganz schlechte Presse. Der Bürgermeister sagt einen schon zugesagten Gesprächstermin ab.

Wie hätte man dafür sorgen können, dass die Diskussion nüchtern und sachlich bleibt und am Ende ein gutes Ergebnis hat? Was hätten die Mitglieder der Bürgerinitiative auf die Rede des Försters antworten sollen? Nun, vielleicht hätten sie eine der folgenden Fragen stellen sollen:

“Was können Sie uns über die Mikrohabitate im Stadtwald erzählen?”
“Wie viele Mikrohabitate gibt es im Stadtwald pro ha?”
“Wie viele Mikrohabitate pro ha gab es im Stadtwald, als sie dessen Leitung übernommen haben? Wie viele gibt es jetzt?”
“An den gefällten Bäumen haben wir die folgenden Mikrohabitate festgestellt: … Wie werden sie diese ersetzen?”

Vorteil 2 – Kooperation mit dem Forstamt

In der Vergangenheit haben sich Bürgerinitiativen und Forstämter manchmal erbittert bekämpft: Umweltschützer und Förster erklärten sich gegenseitig zum Feind und begegneten einander mit Verdächtigungen und Argwohn. Natürlich ist es möglich, dass der Förster die Herausgabe der Daten zu Mikrohabitaten verweigert. Aber:

“Sicherlich ist es nicht vertrauensbildend, wenn Waldbesitzer und Förster nur widerwillig Daten herausgeben oder gar verweigern.” ((Ulrich Mergner, Das Trittsteinkonzept, Euerbergverlag 2018, S. 110))

Vielleicht ist der Förster gerne bereit, die Daten über Mikrohabitate zu veröffentlichen. Vielleicht erklärt er vor Ort sein Naturschutzkonzept und zeigt den Vertretern der Bürgerinitiative die Mikrohabitate. Vielleicht begleitet er auch Schülerexkursionen in den Wald und erklärt ihnen die Rolle von Mikrohabitaten für den Schutz der Waldartenvielfalt.

Vorteil 3 – Kein Expertenwissen

Im Grunde genommen kann jeder Mittelstufenschüler Mikrohabitate erkennen und zählen. Mikrohabitate sind kein Expertenwissen. Man braucht dafür kein abgeschlossenes Studium der Forstwirtschaft oder der Biologie. Man braucht auch keine Kenntnisse über die Arten, die diese Mikrohabitate bewohnen. Man braucht kein Spezialist für Pilze oder Totholzkäfer zu sein. Jedes Mikrohabitat ist im Katalog der Baummikrohabitate genau beschrieben und gezeichnet. Als Hilfsmittel benötigt man bestenfalls ein Fernglas und ein Lineal: “It’s not rocket science!”

Vorteil 4 – Überprüfbare Zahlen

Es ist mit überschaubarem Arbeitseinsatz möglich, die Zahlen des Forstamts zu überprüfen. Vielleicht fängt die Bürgerinitiative erst einmal an, kleinere Flächen stichprobenartig zu kontrollieren.

Vorteil 5 – Genauigkeit

Der junge Förster in der Beispielgeschichte sprach von Biotopbäumen. Dieser Begriff hat den Nachteil, sehr schwammig und ungenau zu sein. Ein Beispiel ist die Definition des FSC:

“[Biotopbäume sind] lebende Bäume, die eine besondere Funktion als Höhlenbaum, Horstbaum oder als Lebensraum für besonders schützenswerte Epiphyten, Insekten, Pilze und andere altholzbewohnende Organismengruppen haben.” ((Deutscher FSC-Standard, Anhang I: Definitionen))

Unklar bleibt erstens, welche Epiphyten, Insekten … besonders schützenswert sind, und zweitens, wie ihre Lebensräume aussehen. Manchmal hat man den Eindruck, beliebige Bäume werden ohne Sinn und Verstand als Biotopbäume markiert, nur um vor der Presse oder Politikern gut dazustehen. Für einige Förster ist jeder dicke Baum gleich ein Biotopbaum. Es gibt aber dicke Bäume, die haben nicht ein einziges Mikrohabitat. Oftmals steht man im Wald ratlos vor solchen makellosen und fehlerfreien Bäumen, die trotzdem und zu Unrecht als Biotopbäume markiert worden sind.

Natürlich nützen alle ermittelten Zahlen zu Mikrohabitaten nichts, wenn man nicht weiß, wie viele Mikrohabitate pro ha eine gute naturnahe Forstwirtschaft anzeigen. Auf der nächsten Seite widme ich mich deshalb der Frage, wie viele Mikrohabitate pro ha der Förster anstreben sollte.

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