Wanderung Fontynyasy

Totholzstrukturen und Totholzqualitäten im Urwald

Der Katalog der Baummikrohabitate des European Forest Institute bezieht sich nur auf lebende Bäume. Totholz spielt im Katalog nur eine Rolle in Form von toten Ästen am Stamm oder in der Krone (DE 11 – 15); Totäste und Kronentotholz befinden sich aber stets noch an lebenden Bäumen. Der Katalog kennt keine Mikrohabitate an abgestorbenen Bäumen.

Das Praxishandbuch kennt ebenfalls keine Mikrohabitate an abgestorbenen Bäumen; es spricht lieber von “Totholzstrukturen abgestorbener Bäume”. Diese Strukturen werden in sechs Typen eingeteilt: ((Praxishandbuch, S. 142 und 149))

  1. Stehende tote Bäume mit Kronen oder Kronenanteilen
  2. Hochstümpfe (höhere stehende Stämme ohne Krone)
  3. Aufgesplitterte Bäume als Sondertyp der Hochstümpfe
  4. Stubben (bis 1,3 m Höhe)
  5. Liegendes Stammholz
  6. Liegende Kronen und Starkäste

Der Grund, warum das Praxishandbuch von “Typen” statt von Mikrohabitaten redet, ist folgender:

“Der Begriff Totholz umfasst ein sehr unterschiedliches Spektrum von Speziallebensräumen.  Je nach Holzart, Rindenanhaftung, Dimension, Zersetzungsgrad, Feuchtigkeit und Sonnenexposition bilden sich an Totholzstrukturen ganz unterschiedliche Lebensräume für Pilze und Insekten aus. Dabei ist es auch von Bedeutung, ob das tote Holz Bodenkontakt hat oder nicht.” ((a. a. O., S. 143))

Die sechs Totholztypen unterscheiden sich also durch die Totholzqualitäten. Das Praxishandbuch zählt sechs Qualitäten auf:

  1. Baumart
  2. Dimension (Durchmesser)
  3. Zersetzungsgrad
  4. Rinde
  5. Besonnung
  6. Auflage auf dem Boden

Jeder Totholztypus bietet also nicht ein einziges Mikrohabitat, sondern je nach Qualität ein ganzes Bündel von Mikrohabitaten: Der Teil eines Hochstumpfs, der ganztägig von der Sonne beschienen wird, ist ein anderes Mikrohabitat als der Teil, der nur für einige Stunden besonnt wird. Und dieser ist wiederum ein anderes Mikrohabitat als der Teil, der ständig im Dunkeln liegt.

Das Praxishandbuch zählt viele Beispiel dafür auf, wie wichtig die Qualität des Totholzes ist. Beispiel Besonnung:

“Zahlreiche Holzbewohner – beispielsweise Pracht- oder Borkenkäfer sind ausgesprochen wärmeliebend und benötigen eine intensive Sonneneinstrahlung.” ((a. a. O., S. 145))

Beispiel Zersetzungsgrad:

“Frisch abgestorbene Bäume werden [..] vorrangig von Arten besiedelt, die sich von der Rinde oder dem Splintholz ernähren (z. B. Borken- oder Prachtkäfer). Mit beginnender Totholzzersetzung ändert sich das Insektenspektrum – unter anderem Käfer der Familie der Schröter und Schnellkäfer dominieren. Wenn das Holz vollständig zerfallen ist und langsam in Humus übergeht, bieten sich Lebensräume für Ameisen, Fliegenlarven und Milben, und die eigentlichen Bodenlebewesen wie Würmer, Schnecken und Asseln steigen ins Moderholz auf.” ((a. a. O., S. 144))

Das folgende Foto zeigt einen Hochstumpf und veranschaulicht, wie viele Mikrohabitate er bietet:

In der Mitte liegt nicht nur das weiche Splint-, sondern auch das harte Kernholz frei. An zahlreichen Stellen haben sich Teile der Rinde abgelöst, stehen vom Splintholz ab und bilden entweder Dächer (Öffnung an der Unterseite) oder Taschen (Öffnung an der Oberseite). Der folgende Hochstubben zeigt eine ähnliche Vielfalt an kleinen Lebensräumen. Von oben bis unten ist er übersät mit Fraßlöchern von Spechten – ein untrügliches Indiz dafür, dass viele Insekten in ihm leben.

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