Schirmschlag in Mülheimer Buchenwäldern

Im Mülheimer Stadtwald werden viele Buchenwälder im Schirmschlagverfahren bewirtschaftet. Ich halte das für problematisch und kann das an dreien von mir besichtigten Flächen veranschaulichen.

1. Schirmschlag an der Großenbaumer Straße

Vor ca. 10 Jahren waren nordwestlich der Großenbaumer Straße neben dem Broicher Landweg die ersten Altbuchen gefällt worden. Ziel dieses “Besamungshiebs” war es, eine “Naturverjüngung” durch Bucheckern einzuleiten. Im März 2013 kam es zu einem “Nachlichtungshieb”: Auf einem 2 ha großen Areal wurden mindestens 51 bis zu 140 Jahre alte Buchen gefällt. Für Oberförster Pfaff gilt das als “naturnaher Waldbau”: Die “Bestände” werden “aufgelichtet”. Kurz nach der Maßnahme bot sich im März folgendes Bild:

 

Das Bundesamt für Naturschutz rät in seinen Richtlinien für die Forstwirtschaft in FFH-Schutzgebieten ausdrücklich vom Schirmschlag ab. Denn Kritiker des Schirmschlags wie z. B. Flade, Möller und Winter bemängeln, dass durch die Hiebe unnatürlich viel Sonnenlicht auf den Waldboden fällt. Aufgrund der Wärme wird der Humus im Boden nun schneller zersetzt und viel Stickstoff in Form von Nitrat freigesetzt. Aufgrund dessen wachsen die jungen Buchen schnell heran. Der Name “Schirmschlag” kommt übrigens daher, weil die jungen Buchen angeblich unter dem “Schirm der Altbäume” geschützt sind.  Kritiker wenden ein, dass sie so unnatürlich schnell wachsen wie “gedopte Mastschweine” (Peter Wohlleben). Und entsprechend anfällig ist ihr Holz: Es wird leicht von Pilzen befallen und vom Wind umgeworfen. Die einen Meter hohen Jungbuchen sind auf den Fotos Ende April gut zu erkennen:

 

In diesem Jahr wurde ungefähr die Hälfte der Altbuchen gefällt. Dadurch sinkt der sogenannte Bestockungsgrad auf nur noch 0,5. Auch dies sieht das Bundesamt für Naturschutz sehr kritisch: Es rät zu einem Bestockungsgrad von mindestens 0,7 und empfielt, diesen pro Jahrzehnt nur um 0,1 abzusenken. Langfristig plant Oberförster Pfaff den Bestockungsgrad des sogenannten Oberstands auf 0,2-0,3 abzusenken.  Das Forstamt fällt die Buchen im Alter von nur 120 Jahren. Es beschönigt dies, wenn es behauptet, es würde dem “Absterben” der Bäume bloß “vorgreifen”. Denn Buchen werden 300 Jahre, einige bis zu 400 Jahre alt.

 

Peter Wohlleben warnt, dass für die nicht abgeräumten Buchen das Fällen ihrer Nachbarn einen Schock bedeutet . Das einstmals geschlossene Kronendach ist nun löchrig wie ein Schweizer Käse. Wurzelverbindungen zu gefällten Nachbarn reißen ab. Die jüngsten Triebe oben an der Krone sterben und werden vom Wind abgebrochen. Die Krone wird immer kleiner. Es besteht die große Gefahr, dass die Bäume absterben, weil die verkleinerte Krone den Baum nicht mehr ernähren kann. Im März sehen die Kronen der Altbuchen arg mitgenommen aus. Herr Pfaff meint, dass sie sich erholen würden. Er verteidigt das Fällen: Auch im Urwald kommt es nach dem Umfallen altersschwacher Buchen zu Lichtungen. Kritiker wenden wiederum ein, dass diese natürlichen Kronendachlücken nie so groß sind wie beim künstlichen Schirmschlag.

Der wirtschaftliche Ertrag der gefällten Buchen im Volumen von insgesamt 160 Festmetern ist dürftig: Kein holzverarbeitender Betrieb in Deutschland wollte das Buchenholz haben, dessen Qualität nur minderwertig ist. Für den Spottpreis von 47 €/Fm wird es nun nach China exportiert.

2. Schirmschlag am Nachbarsweg

Auch beiderseits des Nachbarswegs in der Nähe der Wedauer Straße wurden Buchen im Schirmschlag gefällt. Der Nachlichtungshieb hat große Lücken zwischen den alten Buchen und im Kronendach hinterlassen. Meterhohe Berge von Buchenholz konnten offenbar gar nicht verkauft werden und vergammeln nun am Wegesrand. Schön sieht dieses Waldstück nicht aus: Einige wenige Altbuchen stehen verloren in einem Bestand von kaum 1 Meter hohen Jungbuchen:

 

3. Schirmschlag am Mispelkamp

Ein drittes Beispiel für den Schirmschlag liegt 200 m nordöstlich des Holzlagerplatzes an der der Mühlenbergheide östlich der Straße Mispelkamp. Dort erfolgte der Besamungshieb laut Oberförster Pfaff bereits 1990. Der Nachlichtungshieb fand 2002 statt. Der Bestockungsgrad mit Altbuchen liegt seitdem zwischen  0,5 und 0,6. Auch hier wird er in den nächsten Jahren auf 0,2 gesenkt werden. D. h., 20 % der Altbuchen dürfen stehen bleiben. Die jungen Buchen sind mittlerweile 20 Jahre alt. Dazwischen haben sich Fichten aus einem nahegelegenen Fichtenforst selbst versät. Ein zweistufiger Wald mit 2 Alterklassen: “naturnah” ist das nicht!

 

Ob die restlichen Altbuchen die Hiebe gut verkraften ohne zu erkranken, bleibt abzuwarten. Die Hiebsruhe von nur 10 Jahren ist für eine Buche, die 300 Jahre und älter werden kann, eine vergleichsweise kurze Zeit: sie entspricht nur 2-3 Menschenjahren