Das Förstermärchen vom „überalterten“ Wald, der „zusammenzubrechen“ droht

Einleitung

Viele Förster sind davon überzeugt: „Der Wald braucht die Pflege des Försters!“ Und eine beliebte Begründung für die Notwendigkeit der Pflege ist das Förstermärchen, der Wald sei „überaltert“.

Dann klagen die Förster darüber, dass viele Bäume „morsche Äste“ oder „faule Stämme“ hätten. Oder sie fabulieren, dass es den altersschwachen Bäumen an „Standsicherheit“ mangele. Manchmal warnen sie davor, dass auf kleinen Flächen bereits „Zusammenbrüche des Baumbestandes“ zu beobachten seien. Der Wald käme in eine „Zusammenbruchphase“: In dieser hoch risikoreichen Phase, die kurz bevor stünde, würden sehr viele Bäume „unkontrolliert zusammenbrechen“. Das führe zu einem „erhöhten Unfallrisiko” und „kritischen Situationen“ in den „stark besuchten“ Wäldern. Am Ende müssten Waldwege für die Öffentlichkeit gesperrt werden. Ein erstes Ziel der „Waldpflege“ müsse es folglich sein, den Wald zu „sichern“ und zu „stabilisieren“.

Kritische Analyse

Es wäre ein Wunder, wenn die Bäume in Wald des Försters tatsächlich sehr alt wären. Buchen z. B. werden 250 – 300 Jahre alt, einige können über 400 Jahre alt werden. Bei uns werden sie spätestens mit 120-160 Jahren gefällt – das entspricht einem Alter von 30-35 Jahren beim Menschen. Dass sie so früh gefällt werden, liegt aber nicht an einem drohenden Zusammenbruch der Buchen sondern daran, dass das Holz der Buchen ab 120 Jahren einen roten Kern bekommt – daher der Name Rot-Buche. Rotkerniges Holz verkauft sich auf dem Holzmarkt schlechter als weißes Holz.

Rotkern

Weil Buchen bei uns so früh gefällt werden, gibt es in Deutschland so wenige alte Buchenwälder. Nur 8 % aller Buchenwälder sind über 160 Jahre alt. ((siehe Norbert Panek, Deutschland, deine Buchenwälder, Daten – Fakten – Analysen, Vöhl-Basdorf 2016))

Es gibt keinen einzigen wissenschaftlichen Beleg für einen großflächigen Zusammenbruch von alten Buchenwäldern. Wir kennen diesen Zusammenbruch bei Fichtenmonokulturen z. B. nach dem Orkan Kyrill 2007 oder nach Borkenkäferbefall. Buchenwälder aber erweisen sich als besonders stabil – auch die alten. So kann man beispielsweise in vielen Naturwaldzellen Nordrhein-Westfalens mit bis zu 200 Jahre alten Buchen die umgestürzten Buchen an den Fingern einer Hand abzählen. Und in diesen Naturwaldzellen wird der Wald seit 35 Jahren nicht mehr bewirtschaftet; d. h. es werden weder Bäume gefällt – auch kranke und tote nicht – noch werden umgestürzte Bäume entfernt!

Ähnliches können Sie auch beobachten in den deutschen Nationalparks mit alten Buchenwäldern: z. B. im Nationalpark Kellerwald-Edersee oder dem Nationalpark Jasmund auf Rügen. Teile beider Nationalparks wurden zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt und niemand braucht zu befürchten, dass dieses Erbe demnächst zusammenbricht.

Der Zerfall alter Buchen findet immer nur bei einzelnen Bäumen statt. Und dieser Zerfallsprozess dauert in der Regel Jahrzehnte. Selbst viele uralte Buchen sind immer noch ausgesprochen vital, auch wenn ihr Stamm schon lange von Pilzen befallen ist. Die Kronen dieser Methusalem-Bäume weisen keine Lücken auf und an allen Ästen sprießen im Frühjahr neue Blätter.

Hinweis

Dieser Artikel geht zurück auf eine ältere Arbeit von mir aus dem Jahr 2013: Kritik am Erholungsdauerwald nach Dubbel.