Brief an Dr. Hannes Böttcher

Antwort von Dr. Böttcher am 6.5.2018

Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit habe ich die Zwischenüberschriften formatiert und die wichtigen Worte fett gedruckt.

Sehr geehrter Herr Adrian,

vielen Dank noch einmal für Ihr Interesse an der Waldvision und für den Versuch sich mit dem Modell FABio näher zu beschäftigen. Nach unserem Telefonat möchte ich mich noch einmal schriftlich melden um Ihnen die versprochenen Erläuterungen zum Modell zu schicken. Aufgrund von Urlaub und Elternzeit konnte ich mich leider nicht früher melden. Ihre Fragen beziehen sich ja vor allem auf das Modell, weniger die Szenarien oder die Ergebnisse. Wie sie richtig festgestellt haben, ist die Dokumentation des Modells im Internet recht technisch gehalten. Lassen Sie mich deshalb nachfolgend einen kleinen Ausschnitt davon etwas näher erläutern. Diese Beschreibung wird Ihnen nicht das gesamte Modell erklären. Aber vielleicht dient es Ihnen dazu einen kleinen Einblick zu bekommen.

Das Waldmodell FABio verwendet die Daten von zwei Inventuren, um aus diesen ein Waldwachstumsmodell abzuleiten. Wie funktioniert das?

Schritt 1: der Zweck

Bevor ein solches Computermodell zusammengestellt wird, muss sich der Modellentwickler sich im Klaren sein, wofür das Modell verwendet werden soll. Denn nicht jedes Modell eignet sich für jede Fragestellung. In der Waldvision kommt es darauf an Aussagen zum Vorrat und Zuwachs von Bäumen im gesamten Wald in Deutschland machen zu können und detaillierte Bewirtschaftungsformen, wie unterschiedliche Durchforstungsstärken oder auch die Zielstärkennutzung darstellen zu können. Dafür bietet sich ein Einzelbaumwachstumsmodell auf Basis der Bundeswaldinventur (BWI) an.

Schritt 2: die Daten

Man benötigt mindestens zwei, wenn möglich mehr Inventurzeitpunkte. Dabei ist entscheidend, welche Art von Daten in den Inventuren erhoben wurde, auf die das Modell aufgebaut werden kann. Es ist Voraussetzung, dass die Methoden der Aufnahme jeweils gleich waren, damit die Zahlen der beiden Jahre vergleichbar sind. Außerdem muss bedacht werden, dass natürlich nicht alle Bäume des gesamten Waldes gemessen wurden, sondern nur eine bestimmte Auswahl. Für Baumarten, die die Inventur nicht erfasst hat, kann man auch kein Modell bauen. Konsistente Daten liefern die öffentlich verfügbaren Inventuren von 2002 und 2012 z. B. zur Dicke der Bäume (dem sog. Brusthöhendurchmesser), der Höhe oder dem Alter. Eine Berücksichtigung von mehr Zeitpunkten, wie der WBW ((WBW = Wissenschaftlicher Beirat für Waldpolitik, F.-J. A.)) es fordert, wäre sicher wünschenswert. Leider liegen öffentlich verfügbar nur die Inventuren von 2002 und 2012 vor.

Schritt 3: das Modell

Der Modellierer überlegt sich nun, in welcher Beziehung die verfügbaren Daten zueinander stehen. Das Modell soll das Wachstum eines Baumes berechnen, die sogenannte abhängige Variable. Wovon hängt dieses ab? Es entsteht zunächst ein konzeptionelles Modell auf Papier. Es werden statistische Analysen zum Zusammenhang verschiedener Daten gemacht, aber auch Literatur studiert, denn es gibt bereits viele Modelle, die dort beschrieben werden. Im Falle von FABio sind es zwei logarithmische Modelle. Eines errechnet den Grundflächenzuwachs, also die Änderung der Querschnittsfläche des Baumes und ein anderes den Höhenzuwachs. Das Wachstum des Baumes in die Höhe und in die Breite ist abhängig davon, wie hoch und dick der Baum bereits ist. Aber auch davon, wie viele andere Bäume auf der Fläche stehen und ob diese dicker sind oder dünner, also von der Konkurrenz mit anderen. Auch der Standort spielt eine Rolle, d.h. es wird davon ausgegangen, dass die Bäume an verschiedenen Orten unterschiedlich wachsen.

Als logarithmische Formel liest sich das dann zum Beispiel so:

ln(BAI) = d_a1 + SIZE + COMP + SITE

Der Logarithmus des Grundflächenzuwachses eines Baumes ergibt sich aus der Summe von Parameter d_a1, einem Term zur Größe des Baumes (beschrieben durch SIZE), einem Term zu seiner Konkurrenzsituation (beschrieben durch COMP) und einem Term zu den Standortbedingungen (SITE). Diese Terme wiederum setzen sich aus folgenden Formeln zusammen, die unabhängige Variablen enthalten, die das Wachstum erklären sollen:

SIZE = d_b1 * ln(DBH) + d_b2 * DBH² + d_b3 * ln(HGT) + d_b4 * HGT²
COMP = d_c1 * BAL + d_c2 * BAS + d_c3 * NUM
SITE = d_d1 * BON

DBH ist der Brusthöhendurchmesser, BAS die Bestandesgrundfläche und HGT die Höhe des Einzelbaums. BAL ist die Grundfläche der jeweils stärkeren Bäume und NUM die Anzahl der Bäume im Bestand pro Hektar. BON ist die aus den Einzelbaumdaten abgeleitete Bonität, um standörtliche Unterschiede darzustellen. Die Abkürzungen d_b1, d_b2 etc. stellen Parameter dar, also kennzeichnende Größen, die noch bestimmt werden müssen, aber essenziell sind, um das Modell anwenden zu können.

Schritt 4: die Parameter

Nachdem das Modell mathematisch beschrieben wurde, muss es parametrisiert werden. Das wird jeweils für die verschiedenen Baumartengruppen gemacht. Die Formel, wie oben beschrieben, ändert sich dabei für die Baumartengruppen nicht, sondern nur die Parameter, die mit Hilfe von statistischen Verfahren bestimmt werden. Dabei werden, einfach gesprochen, die Parameter im Modell variiert und das Ergebnis mit den gemessenen Daten in der BWI verglichen, bis das Modell die Daten mit ausreichender Güte wiedergeben kann.

Das Wachstumsmodell ist nur eine Komponente des gesamten Modells. Da für die Betrachtung ganz Deutschlands viele Rechenschritte nötig sind, haben wir das Modell in einer Simulationssoftware umgesetzt, die AnyLogic heißt. […]

Ich hoffe ich konnte ein bisschen mehr zum Verstehen des Modells beitragen […]. Wir werden in Kürze auch detailliert auf die WBW-Stellungnahme antworten.
Ich setze meinen Kollegen Herrn Hennenberg ins cc, da meine Elternzeit noch bis zum Sommer andauern wird. Sollten Sie noch Fragen haben, wenden Sie sich also gerne an ihn.

Mit freundlichen Grüßen,
gez. Hannes Böttcher

Da ich tatsächlich noch Fragen habe, wende ich mich am 4.6.2018 an Dr. Hennenberg.

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