Prozessschutz und Verkehrssicherung

“Der für die Bäume Verantwortliche ist [..] verpflichtet, Schäden durch Bäume an Personen oder Sachen zu verhindern.”
Betriebsanweisung Verkehrssicherung von Saarforst

Einleitung

Herr Wirtz leitet das Prozessschutzrevier Quierschied nahe Saarbrücken und arbeitet nach dem Vorbild des Lübecker Modells. In einen Teil seines Reviers hat er ein ernsthaftes Problem mit der Verkehrssicherungspflicht. Hier kann er den Wald nicht einfach mal wachsen und die Natur einfach so machen lassen.

Die Seite ist gegliedert in folgende Abschnitte:

Die Lage des Problemwalds

Der Wald mit dem Verkehrssicherungsproblem befindet sich im Westen von Quierschied, einer kleinen Gemeinde im Norden von Saarbrücken. Er liegt südlich der Holzer Straße in unmittelbarer Nähe der beiden Sportplätze  (L262) und auch neben dem Friedhof.

Dort gibt es gleich zwei Parkplätze: einen Wald- und einen Friedhofsparkplatz. Quierschied hat rund 13.000 Einwohner.1siehe Quierschied in Zahlen Rechnet man die umliegenden Dörfer hinzu, kommt man schnell auf 20.000 Personen, die in diesem Verdichtungsraum wohnen. Und sehr viele davon nutzen diesen Wald als ihren Erholungswald; er liegt ja quasi direkt vor ihrer Haustüre. Auf mehreren Rundwegen im Wald wird gewandert, mit dem Hund Gassi gegangen, Fahrrad gefahren und gejoggt: Die Lauftreffhütte Quierschied liegt am Waldparkplatz. Ein Wanderweg ist als Behinderten-Wanderweg ausgeschildert und behindertengerecht ausgebaut.

Erholungswald der Quierschieder Bevölkerung

Wirtz erklärt, dass die meisten Leute die beiden Parkplätze nutzen und von hier aus in den Wald starten. Bei schönem Wetter und am Wochenende herrscht hier ein “Wahnsinns-Publikumsverkehr”.

Hinweis

Der Artikel ist das Ergebnis einer Exkursion durch das Prozessschutzrevier Quierschied im Juli 2019. Leiter des Reviers ist Roland Wirtz. Es ist aber nicht so, dass alle Informationen dieses Artikel ausschließlich auf seinen Erklärungen beruhen. Mit von der Partie war sein befreundeter Kollege Urban Backes aus dem Nachbarrevier Rastpfuhl/Püttlingen. Auch dessen Beiträge waren sehr hilfreich und nützlich. Beiden Förstern bin ich gleichermaßen zu Dank verpflichtet.

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“Handlungspflicht besteht bei Extremgefahr.”
Betriebsanweisung Verkehrssicherung von Saarforst

Das Problem der Verkehrssicherung

Betrachtet man den Wald rein unter ökologischen Gesichtspunkten, so ist sein Zustand perfekt. In diesem Wald wurde in der Vergangenheit kein Schirmschlag angewandt. Die alten Bäume, die hier noch stehen, sind keine Überhälter – dazu sind es viel zu viele und sie stehen viel zu dicht. Hätte man Schirmschlag gemacht, stünden höchstens noch 10 % von diesen Bäumen. Es gibt auch keine Lücken im Kronendach, schon gar keine größeren. Nur einzelne Bäume wurden mal herausgenommen; das Licht reicht dann für die reichlich vorhandene Verjüngung bei der Buche. Einige Bäume wurden nicht einmal gezielt bei einer Durchforstung entnommen, sondern sind auf natürliche Weise abgebrochen – erkennbar an den Stubben.

Seit 10 Jahren wurde der Wald gar nicht mehr genutzt. Er hat einen Holzvorrat von 600 Fm. Der Vorgänger von Wirtz, der zum 1.10.2017 pensionierte Revierleiter Martin Haupenthal,2siehe Forstrevier Quierschied unter neuer Leitung hatte das Ziel des Lübecker Modells verfolgt. Das Konzept sieht für Standorte, die für die Buche optimal sind, 500-600 Fm vor und nicht wie sonst im Landesbetrieb SaarForst nur 400 Fm. Und Haupenthal erreichte dieses Ziel noch vor seiner Pensionierung. Er stand auf dem Standpunkt: Wenn die Buche nicht das 3fache der Erntekosten erwirtschaftet, bleibt sie stehen. Ökologisch ist der Wald also ein Traum mit sehr vielen wunderschönen Biotopbäumen. Es ist nicht die Ökologie, die Probleme bereitet.

Auch ökonomisch gesehen ist der Wald interessant: in ihm stehen viele wertvolle Bäume, die sich nutzen und gut vermarkten ließen. Allerdings ist auch Geld nicht das Problem: Wirtz hätte keinerlei Probleme damit, den Wald komplett aus der Nutzung zu nehmen und einen Erholungswald ohne Nutzung daraus zu machen.

Aber das ist keine Option. Denn Wirtz hat ein ganz anderes Problem – und zwar eines, das jetzt schon akut ist und das in Zukunft nicht besser wird, sondern nur noch schlimmer. Denn die vielen alten Buchen fangen an abzusterben. Und absterbende Bäume in einem Wald mit hohem Publikumsverkehr sind ein Verkehrssicherungsproblem.

Baumstumpf mit Weißfäule

Und Bäume, die ein Verkehrssicherungsproblem darstellen, muss Wirtz fällen. Ein Beispiel zeigt er mir gleich zu Beginn des Wanderwegs: am Baumstumpf sieht man die Weißfäule, verursacht durch den Zunderschwamm. Der kann tatsächlich irgendwann schlagartig kommen und am unteren Stamm saßen viele Fruchtkörper des Zunderschwamms; Krone und oberer Stamm konnten also jederzeit abbrechen und da musste er handeln. Bei so viel Publikumsverkehr auf dem Wanderweg durfte er nicht zulassen, dass es zu einem Beinaheunfall oder sogar zu einem richtigen Unfall kommt. Wirtz:

“Immer mehr von diesen Altbuchen verabschieden sich hier und stellen dann ein Verkehrssicherungsproblem dar.”

Ein zweites Beispiel für ein Verkehrssicherungsproblem steht praktisch direkt gegenüber: eine Altbuche mit Kronenverlichtung. Am Stamm sieht man den Krebs, sie fängt an abzusterben. Zusätzlich hat die Buche einen bruchgefährdeten Zwiesel. Es besteht die Gefahr, dass eine Hälfte des Zwiesels abbricht und auf den Wanderweg fällt. 3siehe Druckzwiesel

Kronenverlichtung, Zwiesel und Buchenkrebs

Ein drittes Beispiel zeigt, dass Wirtz sich die Entscheidung, einen potenziell gefährlichen Baum zu fällen, nicht leicht macht:

Höhlenbaum

Zu dem oben abgebildeten Baum, der ökologisch sehr wertvoll ist, weil er gleich mehrere Mikrohabitate hat (Höhlen, Teilkronenbruch, Zwieselabbruch), sagt Wirtz:

“Den kann ich doch nicht wegmachen! Bei dem werden wir jetzt noch eines probieren: mit einem Hubsteiger hole ich die Krone weg, dass ich den ein bisschen entlaste. Aber das ist einfach nur eine zeitliche Verschiebung und das löst das Problem nicht dauerhaft. Irgendwann stirbt er ab, dann muss er komplett weg.”

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“Es besteht die umgehende Beseitigungspflicht der Gefahrenquelle ab Kenntnis der Umstände.”
Betriebsanweisung Verkehrssicherung von Saarforst

Die Rechtslage zur Verkehrssicherungspflicht

Vielleicht werden nun einige Waldschützer einwenden:

“Wovon redet Wirtz denn da? Verkehrssicherungspflicht an einem Waldweg? Alles dummer Quatsch! Die Gerichte haben eindeutig festgelegt, dass es keine Pflicht zur Verkehrssicherung für waldtypische Gefahren gibt!”

Das stimmt auch. In dem berühmten “Dillinger-Hütten-Urteil” vom 2.10.2012 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eindeutig festgelegt:

“Er [= der Waldbesitzer] haftet deshalb nicht für waldtypische Gefahren […]. Die Gefahr eines Astabbruchs ist [..] grundsätzlich eine waldtypische Gefahr.” 4Bundesgerichtshof zur Haftung des Waldbesitzers für Verletzung eines Spaziergängers durch herabstürzenden Ast, Hervorhebungen von F.-J. A., siehe auch Bundesgerichtshof entlastet Forstleute und Waldbesitzer

Doch das ist nur die halbe Wahrheit: denn zu den waldtypischen Gefahren zählen nicht die Extremgefahren. Dazu gehören laut der Betriebsanweisung Verkehrssicherung (BA VS) von SaarForst u. a.:

“Bäume mit Befall holzzersetzender Pilze und Schadpotenzial Richtung Waldweg”

Denn:

“Handlungspflicht besteht bei Extremgefahr. Eine Extremgefahr an Waldwegen liegt vor, wenn ein Schadensereignis für jedermann erkennbar unmittelbar bevor steht […]. “

Zunderschwämme sind für jedermann erkennbar. Dazu braucht es keine Spezialausbildung.

Mindestens drei weitere Dinge verschärfen das Problem im Wald bei Quierschied:

  1. Die Altbuchen sind weitgehend alle gleich alt, auch wenn sie vom Durchmesser ein bisschen unterschiedlich sind. In einem trockenen Sommer kann ihr Absterben dann ganz schnell gehen. In relativ kurzer Zeit segnen sie dann alle das Zeitliche.
  2. Die Buchen haben optimale Wuchsbedingungen und werden 40 m hoch. D. h., Bäume mit Schadpotenzial stehen bis zu 40 m rechts und links des Wegs.
  3. Die Wanderwege im Wald haben häufig nur einen geringen Abstand voneinander, z. T. nur 100 m. Der Streifen, in dem Buchen absterben und dann, ohne Menschenleben zu gefährden, umkippen können, ist dann also nur 20 m breit.

Bäume, von denen eine Extremgefahr ausgeht, nennt man auch Megagefahrenbäume. Wirtz beschreibt seine Lage:

“Ich muss hier immer irgendwie ran und irgendetwas weg machen und jeder alte Baum ist potenziell gefährlich.  Jeder alte Baum wird einmal zu einem Megagefahrenbaum; das ist nur eine Frage der Zeit.”

Extremgefahr Zwieselbaum

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Problem ohne Lösung

In dieser Situation, wo immer mehr Altbuchen absterben und die Besucher gefährden, fragt sich Wirtz, welche Optionen er hat. Ihm sind zwei eingefallen, die ihn aber beide nicht zufrieden stellen, weil sie nur neue Probleme verursachen:

Die eine Möglichkeit wäre, einfach abzuwarten und gar nichts zu machen – außer pflichtgemäß die Megagefahrenbäume zu fällen. Wirtz schildert ein Beispiel:

“Neulich hatten wir einen, der war innerhalb kurzer Zeit komplett abgestorben. Der Zunderschwamm war zwar schon längere Zeit dran, aber dass das Absterben so schnell geht, das hätten wir nicht gedacht. Den mussten wir dann ganz schnell noch wegmachen. Das tut weh, denn aus ökologischer Perspektive war der Baum genial. Er hatte zwei Mulmkörper. Der wäre ein perfekter Methusalem für die Ewigkeit gewesen. Hätte er abseits im Wald gestanden, ich hätte den nie gefällt. Nur – was tun? An einem Wanderweg habe ich keine Wahl. Ich darf ihn gar nicht stehen lassen.”

Schon beim Fällen eines einzigen Baums, der direkt am Weg steht, hat er manchmal Vermittlungsprobleme: viele Leute, die dort regelmäßig vorbeigehen, kennen den alten Baum und beschweren sich dann, wenn er den wegmacht. Selbst wenn er gute Gründe dafür hat, so kann er diese vielen Leuten einfach nicht vermitteln. Hinzu kommt ein weiteres, noch viel schlimmeres Problem: Wenn er abwartet und nur das Allernötigste macht, werden die Altbuchen in naher Zukunft alle zu Megagefahrenbäumen und es werden irgendwann so viele auf einmal sein, dass die Situation außer Kontrolle gerät.

Die folgenden fünf Bilder habe ich gezeichnet, um diese erste Lösungsmöglichkeit zu veranschaulichen.

Abb. 1: Ausgangszustand

Abb. 2: nach 5 Jahren – 2 Megagefahrenbäume mit starkem Zunderschwammbefall müssen gefällt werden

Abb. 3: nach 10 Jahren – 1 weiterer Megagefahrenbaum muss entfernt werden

Abb. 4: nach 15 Jahren – noch 2 Megagefahrenbaum müssen weg, der in der Mitte ist für die Wanderwege keine Gefahr

Abb. 5:  Zustand nach 15 Jahren

Die zweite Variante wäre, die wirtschaftlich noch interessanten Bäume jetzt schon herauszuholen – frühzeitig – auch und gerade, wenn sie noch intakt sind. Das hätte zwei Vorteile:

  1. Diese schönen Bäume könnten verkauft werden, bevor sie zu einer Extremgefahr werden. Ihr wertvolles Holz könnte zu langlebigen Produkten wie z. B. guten Möbeln verarbeitet werden. Das im Holz gebundene CO2 würde also nicht freigesetzt; es bliebe gespeichert und würde das Klima nicht belasten. Wenn er wartet, bis die Bäume absterben, hat ihr Holz nur noch minderwertige Qualität und kann nur noch verbrannt werden. Das ganze CO2 wird dann sofort freigesetzt.
  2. Die Gefahr, dass in naher Zukunft in einem heißen Sommer sehr viele Altbuchen alle auf einmal absterben, würde gemindert, weil viele Altbuchen zuvor schon geerntet worden sind – aber eben verteilt über einen – hoffentlich – längeren Zeitraum und nicht alle auf einmal.

Aber auch die besten Absichten und die besten Gründe nützen nichts: Wenn Wirtz in einem Wald mit so vielen Besuchern, wo 10 Jahre lang kein Baum mehr geerntet wurde, jetzt anfängt mit der Holznutzung, dann – so befürchtet er – ist ein Sturm der Entrüstung vorprogrammiert. Denn egal, wie er es macht: schön würde es nicht aussehen. Egal, wo er die Bäume hin fällen würde: sie machen Schäden, die für jedermann sichtbar sind – beispielsweise würde die Verjüngung zerdeppert.

Er müsste das perfekt mit Informationsveranstaltungen vorbereiten. Aber die Masse der Leute würde er vor dem Hieb gar nicht erreichen. Zu Informationsveranstaltungen kommen immer nur wenige. Die meisten interessiert leider nur, ob ein Weg vielleicht gesperrt ist oder ob er vielleicht schmutzig ist. Bei der letzten Führung sind 30 Personen mitgegangen; das war für die Verhältnisse von Quierschied schon eine große Gruppe. Diesen Leuten konnte Wirtz sein Problem erklären, die hörten auch zu und hatten auch Verständnis für ihn und folgten seiner Argumentation. Aber das sind nur 30 … und die 500 anderen, die den Weg am Wochenende benutzen, die erreicht er nicht. Die interessiert das einfach nicht. Aber wenn es dann passiert und er Bäume fällt, dann regen sie sich auf. Wirtz:

“Wenn ich Pech habe, stehe ich in der Zeitung drin! Dann muss ich mich rechtfertigen. Gut – der eine oder andere sagt: Es gab Gründe, dass er die Bäume weggemacht hat. Aber für mehrere werde ich wahrscheinlich wieder der Depp sein, der nicht in der Lage ist, ordentlich zu wirtschaften. Der zwar erzählt, er mache hier naturnahe Waldwirtschaft, aber de facto macht er die Bäume nur weg, weil er Geld verdienen will! Dieser Heuchler!”

Wirtz hat sich noch nicht entschieden. Er hat noch keine Lösung. Er diskutiert das demnächst mit dem BUND, der ja Projektpartner des Prozessschutzreviers ist, und dem NABU. Er möchte ein größeres Meinungsspektrum bekommen.

“Wir müssen zu einer Lösung kommen, aber ich habe keine Musterlösung.”

Für die Lösung, auf die man sich gemeinsam einigt, möchte er dann aber auch Rückhalt bekommen von den Verbänden, wenn es zum Shitstorm kommt. Es muss deutlich werden, dass es einen Konsens gab zwischen SaarForst und den Verbänden. Es darf nicht so sein, dass die Verbände SaarForst im Regen stehen lassen.

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Fehlende Alternativen

Gemeinsam mit den beiden Förstern überlege ich andere Vorschläge, das Problem der Verkehrssicherung zu lösen.

Nationalparks und Urwald von Saarbrücken

Ich frage die beiden Förster, ob man es nicht wie in Nationalparks machen könne. Reicht es nicht, ein Schild wie das folgende aufzustellen?

Schild im NLP Bayerischer Wald

Wie wird denn die Verkehrssicherungspflicht im Urwald von Saarbrücken gehandhabt?

Backes antwortet, denn er war eine Zeitlang für den Urwald zuständig. Das werde auch im Urwald sehr unterschiedlich diskutiert. Es gäbe z. B. Gruppen, die sagen: Das ist ein Urwald! Wir machen da gar nichts! Er selber hatte da große Probleme mit. Am Weg “Der wilde Netzbachpfad” waren ja schon viele Bäume umgefallen. Dann gab es Bäume mit Brandkrustenpilz, wo man nie genau abschätzen kann, wann die fallen. Und genau an diesen Bäumen vorbei verläuft der Weg und dort macht man Führungen. Genau dorthin werden ganze Schulklassen gelotst! Er war der Meinung: Das geht nicht! Das ist zu gefährlich! Er wollte nicht schuld daran sein, wenn jemand umkommt oder schwer geschädigt wird. Schließlich hätte er von der Gefahr gewusst und hätte es vermeiden können. Deshalb hat er die gefährlichsten Bäume gegipfelt, d. h., die Baumkronen wurden von professionellen Baumsteigern entfernt. Dort stehen jetzt nur noch die Hochstubben. Ein Auge zuzudrücken und einen Megagefahrenbaum stehen zu lassen: das geht immer so lange gut, bis mal ein Unfall oder ein Beinaheunfall passiert. Wirtz ergänzt:

“Wenn ich einen Megagefahrenbaum übersehe, dann geht das mit mir heim! Das möchte ich nicht!”

Zwieselbaum, bei dem unten die Rinde abplatzt

Verkehrssicherung schon in jungen Beständen

Backes macht einen Vorschlag, wie man derartige Probleme in Zukunft vermeiden könnte: man müsste mit der Verkehrssicherung schon in jungen Beständen anfangen. Schon da fangen ja die ersten Bäume an, sich z. B. über eine Straße herauszulehnen dem Licht entgegen und schief zu wachsen. Diese sollten man frühzeitig beseitigen und stattdessen die stabilsten fördern, die schön gerade wachsen. Aber das werde nie und nirgends gemacht. Es werde immer gewartet, bis die Bäume dann so richtig quer über der Straße hängen und je älter die Bäume werden, umso brutaler wird dann die erforderliche Maßnahme.

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Wie komme ich in den Dauerwald?

Das ganze Problem würde sich überhaupt nicht stellen, wenn der Wald am Rande von Quierschied mit den vielen Rundwegen und den vielen Besuchern ein Dauerwald wäre, d. h. ein Wald mit ungleichaltrigen Bäumen. Logisch: denn in Quierschied ist das eigentliche Problem, dass die alten Bäume alle gleichaltrig sind und folglich alle zur gleichen oder fast zur gleichen Zeit absterben. Verschärft wird das Problem dadurch, dass die Bäume, die von unten nachwachsen, diese absterbenden Bäume nicht so schnell ersetzen können – sie sind noch viel zu klein. Das Ende vom Lied: In 20 Jahren wird der Wald zwangsläufig ziemlich zerfleddert aussehen: überall junge Buchen, alle wieder gleichaltrig, alle gleich hoch und dazwischen ein paar Biotopbäume. Und dann werden einige neunmalkluge Waldschützer wie ich daherkommen und sagen: Wohlleben hat recht! Ihr macht Schirmschlag!

Wie geht man mit diesen Wäldern um?

Wirtz erinnert daran, dass dieses Problem früher im Saarland gar nicht vorkam. Denn wäre dieser Wald in der Vergangenheit ordnungsgemäß bewirtschaftet und beförstert worden, würde er in seiner jetzigen Form gar nicht mehr existieren: Denn bis 1989 wäre er durch Kahlschlag geerntet worden; das war damals Standard. Danach kam der Schirmschlag – dieser war immerhin schon ein großer Fortschritt gegenüber dem Kahlschlag. Aber überall in Deutschland gibt es nun Buchenwälder wie diesen Wald, die weder mit Kahlschlag noch mit Schirmschlag behandelt wurden und bundesweit ist die Forstpartie nun am diskutieren: Wie gehe ich mit diesen Wäldern eigentlich um? Wie komme ich in den Dauerwald? Und es gibt keine Patentlösung, so lange man sich auch den Kopf zerbricht. Wirtz hat von 1989 bis 1993 studiert; da gab es noch überhaupt keine Beschäftigung mit dem Thema Dauerwald:

“Wir haben gelernt: Was mache ich mit einem dünnen Baum? Was mache ich mit einem dicken Baum? Wie ernte ich den? Aber im Studium kam nicht vor: Wie arbeite ich in einem komplexen Ökosystem? Das gab es nicht!”

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Schluss

Ich bin gespannt, wie die Sache weitergeht:

  • Wie wird die gemeinsame Lösung mit den Umweltverbänden aussehen?
  • Wird es einen Shitstorm in den asozialen Medien geben?
  • Was wird in der Zeitung stehen?
  • Wer schreibt welche Leserbriefe?

Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Zwiesel und Buchenkrebs

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