Lösershag

Über quorrende und puitzende Waldschnepfen

Sperber schildert den Ausklang eines beglückenden “Urwald-Tages” im Lösershag:

“An einem lauen Aprilabend sitze ich … hier oben am Steinwall. … Gleich nebenan auf der Spitze einer von Spechthöhlen durchlöcherten Buchenleiche singt ein Gartenrotschwanz, der Waldrotschwanz unserer Großväter, uns Enkeln ein feiner Weiser für urwaldgleiche Strukturen. Mit dem Fernglas mache ich einen Siebenschläfer aus, der mit großen Nachtaugen aus der Öffnung einer Grauspechthöhle glotzt. Zwei Rotmilane schweben zum Horstbaum am Unterhang; es gibt noch an die 100 Brutpaare in der Rhön, sie brüten im Wald, jagen aber über den weiten Wiesen und Bachgründen im Land der offenen Fernen. Dohlen kehren lärmend zur Kolonie in die Schwarzspechthöhlen zweier Altbuchen zurück, wo vorhin noch unentwegt ein Hohltauber ruckerte. Eine Waldschnepfe streicht quorrend und puitzend den Hang entlang. Der Waldkauz meldet sich mit ansteckend lebensfrohem Jauchzen, ehe er zur Mäusejagd abstreicht. Jetzt warte ich noch, bis einer der Dachse seinen Bau verlässt.” ((Sperber, S. 79))

Vielleicht ist ein Grund, warum es nur noch so wenige urwaldähnliche Wälder in Deutschland gibt, die schwindende Artenkenntnis der Menschen. Können Sie etwa eine Grauspecht- von einer Schwarzspechthöhle unterscheiden? Ich nicht. Ohne die Anregung von Herrn Sperber würde ich auch nicht auf die Idee kommen, mit dem Fernglas Baumhöhlen zu beobachten, um die Augen von Siebenschläfern zu entdecken.

Loir_maisonQuelle: Julien 31 (GFDL oder CC-BY-SA-3.0), von Wikimedia Commons

Ich wüsste auch die Geräusche einer Waldschnepfe gar nicht zu beschreiben: Mir fehlen buchstäblich die Worte dazu. ((siehe das Video auf Youtube)) Die von Sperber verwendeten Verben “quorren” und “puitzen” kannte ich gar nicht. Es gibt nicht nur einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang ihrer Brutbestände “um ca. 20-50 %” ((siehe Wikipedia)) und dem Schirmschlag von Oberförster Zeller im Nachbarwald. ((siehe Wikipedia: “Rückgangsursachen sind … die Intensivierung der Waldwirtschaft …”)) Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang und der Unkenntnis und Sprachlosigkeit der Menschen. Wer nicht weiß, was eine Waldschnepfe ist, geschweige denn, wie sie quorrt und puitzt, vermisst sie auch nicht, wenn sie nach einem Schirmschlag nicht mehr brütet.

Woodcock_earthworm
Quelle: Ronald Slabke (CC BY-SA 3.0), via Wikimedia Commons

 

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