Antrag auf Kahlschlag am Wüstegarten durch Achim Frede

Frede und der Borstgrasrasen

Einleitung

Im vorigen Kapitel hatte ich erklärt, wie Frede den Großkahlschlag und den Abtransport des Waldrestholzes mit der “eigentliche[n] Oligotrophie […] des Sonderstandortmosaiks und seiner spezialisierten, konkurrenzschwachen Biozönosen” begründet. Ich hatte auch erklärt, dass Frede mit den “konkurrenzschwachen Biozönosen” aller Wahrscheinlichkeit nach den Borstgrasrasen ((Biotoptyp 06.540, siehe Hessisches Ministerium für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz Wiesbaden, Hessische Biotopkartierung – Kartieranleitung, 3. Fassung März 1995, Anhang 1, S. 3 und 70)) meint. ((siehe auch Bohlensteg am Wüstegarten: “Es handelt sich um einen markanten Quarzitkamm mit Blockhalden und Klippen, trittempfindlichen Flechtenfluren, Felsheiden und Borstgrasrasen.” Hervorhebung von F.-J. A.)) Am Ende des vorigen Kapitels hatte ich darauf aufmerksam gemacht, dass es ein Problem gibt: Auch nach dem Kahlschlag und nach dem Abtransport des Waldrestholzes ist der Wüstegarten für Borstgrasrasen überhaupt nicht geeignet. Das möchte ich in diesem Kapitel erläutern.

Nardetum BestandBorstgrasrasen mit Arnika (Arnica montana) im Schweizer Alpengarten Schynige Platte

Telefonat über Borstgrasrasen

Am 31. August 2017 telefoniere ich lange mit Dr. Ansgar Hoppe vom Projektbüro Kooperativer Naturschutz beim Naturpark Solling-Vogler. Hoppe betreut dort u. a. den Borstgrasrasen im Hellental.

“Borstgrasrasen kommt nicht ohne weiteres! Borstgrasrasen kommt nicht von selbst! Niemals!”, klärt mich Hoppe auf. Der Boden muss unbedingt nährstoffarm sein. Und das ist ganz schwierig, wenn man bedenkt, dass im Schnitt 30 kg Stickstoff pro ha jedes Jahr durch die Luft in den Boden kommen. Diese Stickstoffmenge entsprach früher einer Volldüngung. Zwei Maßnahmen sind deshalb zusätzlich zum Kahlschlag unbedingt notwendig:

  • Die Baumstümpfe und -wurzeln müssen mit einer Stubbenfräse entfernt werden.
  • Die Rohhumusschicht muss abgezogen werden, und zwar herunter bis auf den Mineralboden. Dieses Abschaben macht man mit einem Bagger.

“Sonst kriegen Sie Brombeeren!”, warnt Hoppe.

Selbst nach Einsatz von Stubbenfräse und Bagger kommt der Borstgrasrasen nicht von alleine. Es gibt hier keine natürliche Sukzession, bei der nach einiger Zeit auf einem Kahlschlag automatisch ein Borstgrasrasen wächst. Es gibt drei Möglichkeiten:

1. Schafe

Am einfachsten ist es, wenn man in der Nähe bereits einen Borstgrasrasen oder mehrere Relikte davon hat. Dann läßt man eine Schafherde auf dem Borstgrasrasen oder den Relikten weiden. Diese treibt man dann auf den Kahlschlag und mit ihrem Kot verbreiten sie die Samen des Borstgrasrasens.

Laut Pflege- und Entwicklungsplan für das Projekt Kellerwald-Region sollte es am Wüstegarten 413 m2 Borstgrasrasen geben. ((siehe Komplex Nr. 018 „Wüstegarten“ und Grat im Anhang des Pflege- und Entwicklungsplans für das Projekt Kellerwald-Region, S. 1)) Dieser Borstgrasrasen ist zwar nur so klein wie ein Schrebergarten, reicht aber vielleicht für eine ganz kleine Schafherde aus.

Nardus stricta mountain medowBorstgras (Nardus stricta) auf einer Bergwiese

2. Heumahd

Man mäht den bereits vorhandenen Borstgrasrasen zur Fruchtzeit und überträgt dann die Heumahd auf den Kahlschlag. Die Methode ist schwierig, dann man kriegt meistens nicht alle Arten auf den Kahlschlag.

3. Saat

Dritte und letzte Möglichkeit ist die Saat mit Samenmaterial. Dieses muss aber “autochthon” sein, das heißt, es muss von heimischen Borstgrasrasen aus der Region stammen. Es ist aber extrem aufwändig, das zu erhalten.

Fazit

Auf dem Großkahlschlag am Wüstegarten hat Borstgrasrasen überhaupt keine Chance. Nicht einmal die Baumstümpfe und -wurzeln wurden entfernt, geschweige denn der Rohhumus abgezogen. Es wurden auch keine Schafe eingesetzt oder Samen ausgesät und Heu wurde auch nicht gemäht.

Ganz davon ab hätte ich zu gerne gewusst, was Kritiker des Kahlschlags wie Eberhard LeichtWerner Otto, oder Lothar Klitsch gesagt hätten, wenn am Wüstegarten auch noch Bagger oder Planierraupen aufgetaucht wären, um den Humus abzuschieben!

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