Naturnahe Waldwirtschaft in der Oberförsterei Reiersdorf

Grundsätze der Waldbewirtschaftung

Dauerwaldartige Bewirtschaftung

Alle Wälder werden aus Altersklassenstrukturen abgeholt. Glücklicherweise hat es hier nie Großschirmschlag gegeben. Beim Einstieg in die Bewirtschaftung waren es sehr dicht geschlossene, sehr homogene Buchenaltbestände, die alle 120 und z. T. sogar bis zu 180 Jahre alt waren. Ziel ist eine kleinflächige Heterogenität des Bestandsaufbaus, d. h. ein kleinteiliges Mosaik aller Waldentwicklungsphasen.

Sehr dunkle Partien wechseln mit etwas helleren Partien ab. Ein kleinteiliges Spiel mit Licht und Schatten soll entstehen. Plenterwaldstrukturen ergeben sich allerdings erst in einem ganz langen Zeithorizont. Hohe Vorräte jenseits von 500 Fm/ha werden angestrebt. Grund ist auch der Zusammenhang zwischen der Temperatur im Wald und der Vorratshöhe (Pierre Ibisch). Das Waldinnenklima puffert und minimiert Temperaturextreme. Selbst bei einem Bestockungsgrad von 0,4 – das ist fast ein Kahlschlag – werden noch Unterschiede von 4-5° C zwischen Temperaturen im Wald und außerhalb des Waldes gemessen. Bei Vollbestockung sind es sogar 8-10° C.

Mischbestände

Es gibt im Wald auch schon schöne Mischbestände mit guten Qualitäten in allen Baumarten, so z. B. mit vielen hervorragenden Linden mit enorm guten Qualitäten, auch Bergahorn und sehr gute Eichen, die lange Zeiten nicht bewirtschaftet wurden und deshalb sehr dicht gestanden haben, weshalb ihre Durchmesser nicht so groß sind. Auf meine Frage, was man mit Lindenholz mache, antwortet Mehl: Das wissen wir noch nicht. Was haben wir schon für eine Ahnung, was in 50 Jahren ist! Viele Verwendungszwecke wurden vergessen – z. B. für Werkzeuge. Heute geht das ja alles in diesem Mainstream unter: kleinschneiden, schnitzeln und wieder zusammenkleben. Wenn man mal überlegt: die Esche ist fast komplett ausgefallen. Vielleicht gibt es ja Baumarten, die diese Lücken füllen. Wir wissen das noch gar nicht, wir halten die Linden einfach mal vor: wenn sie da sind, sollen sie mit im System bleiben.

Naturverjüngung

Verjüngung passiert grundsätzlich unter dem Schirm des Altbestands. Es werden keine gesellschaftsfremden Baumarten eingebracht. Erhalten werden dagegen naturnahe Mischbaumarten. Manchmal werden Elsbeeren gepflanzt. Die Mutterbäume vor Ort werden beerntet, wenn sie Frucht tragen, in der Baumschule ausgesät und wieder an einen geeigneten Platz gepflanzt. Verhindert werden soll, dass die Flächen extra für diese Lichtbaumart mit großem Aufwand künstlich freigestellt werden müssen. Die Elsbeere liefert ein hochwertvolles Holz.

Douglasien werden nicht gepflanzt. Insgesamt gibt es 1,5 % Douglasie, vielleicht wird das anwachsen bis auf 3 % auf der Gesamtfläche. Außerhalb des BRSC wächst sie auf kleinen Flächen.

Waldumbau

Alle Nadelwälder befinden sich in der Umwandlung in Mischwälder. Rein buchmäßig werden über 100 ha pro Jahr umgewandelt, d. h. Buchen und Eichen werden unter Kiefer gepflanzt oder ausgesät. Der Großteil geschieht aber über Naturverjüngung (v. a. Birke, Eberesche, Hähereichen, d. h. Eichen, die vom Eichelhäher verbreitet werden). Knapp 50 % sind auch schon zwei- und mehrschichtige Bestände. Die Oberförsterei ist also auf dem Weg eines sehr großflächigen Waldumbaus.

Das Problem des Fichten- und Kiefernsterbens ist, dass es zu schnell geht. Die Oberförsterei ist ja dabei, diese Flächen sukzessive umzuwandeln. Mehl zeigt mir einen Bestand mit jungen Kiefern, vielleicht 40 Jahre.

Die Kiefer hat noch ein Leben vor sich. Es wird Zuwachs geben, allerdings von schlechter Qualität. Da könnte man jetzt sagen, dass man sich dann auch schneller von ihr verabschieden kann. Aber diese Bäume haben Funktionen: Mehl will diese Flächen relativ lange nutzen, um auch immer diesen Schirm zu haben. Denn unten am Waldboden passiert ja etwas; da ist nicht nur Brombeere, sondern auch Naturverjüngung.

Die ist z. T. verbissen, da muss man jagdlich etwas tun. Aber die Verjüngung ist schon da. Wenn man hier in 20 Jahren hinkommt, ist die 60jährige Kiefer schon längst mit Laubholz angereichert.

Man muss bei diesen Dingen manchmal auch ein bisschen Geduld haben. Dafür plädiert Mehl auch bei allen FFH-Managementplänen, die ihm vorgelegt worden sind. Da standen dann oft so Dinge drin wie z. B. “Entnahme des Douglasienhorstes”. Da hat er gesagt, nein, wir entnehmen nicht, erstens machen wir prinzipiell keine Kahlschläge, und zweitens mit Geduld geht das alles viel sanfter, viel naturangepasster. Und dann wächst das auch organischer, als wenn er das im klassischen Verfahren mit großer Eingriffsstärke, mit Gewalt macht. Die Buchenverjüngung macht der Häher, die Hainbuche fliegt schon noch ein bisschen weiter, und sukzessive wandelt sich das auch von Natur aus um.

Rolle der Kiefer

Auf sehr sandigen und nährstoffärmeren Böden hat die Kiefer eine gewisse Bedeutung, aber nicht in Reinkultur. Zukünftig wird sie im Mischwald eine Rolle haben. 2012 gab es noch 8.000 ha reine einschichtige Kieferbestände, die in großen Schritten abschmelzen.

Kiefer bringt Geld, Nadelholz bringt Geld. Einerseits wächst sie schnell und sie liefert einfach zu sortierende Qualitäten. So wächst sie z. B. immer gerade. Andererseits birgt sie große Risiken (Kalamitäten, Brände) und wirkt negativ zurück auf die Bodenqualität (Bodenversauerung). Die Buche hat ein besseres Wasserregime; das Wasser läuft am glatten Stamm schnell herunter, tropft an glatten Blättern schnell ab. So kommt viel Wasser im Boden an. Die Kiefer fängt viel mehr ab und es verdunstet von den Nadeln aus, sodass es nicht für den Boden wirksam wird. Also verschlechtert sich der Wasserhaushalt der Landschaft und das ist in Brandenburg ein großes Problem. Das Land hat ein Wasserdefizit; es ist zwar gewässerreich, aber wasserarm. Es hat zwar viele Moore und Seen, aber relativ niedrige Niederschlagsmengen, 500-600 mm (zum Vergleich: Baden-Baden 1.400 mm). Der negative Effekt der Kiefer ist schlecht in Geld zu messen. Man kann nicht sagen: Das macht in Euro soundsoviel. Auch sind es  langfristige Prozesse, die auch schwer zu erfassen sind.

Beim Anblick von ein paar alten Kiefern im Buchenwald fällt Mehl noch etwas ein: Man muss immer aufpassen bei der ganzen Diskussion um Baumarten oder auch um Strukturen usw., dass es nicht in Ideologie endet. Man könnte ja jetzt auch sagen: Was haben denn diese Kiefern denn hier noch verloren? Ab damit, die gehören doch nicht in den Buchenwald! Auf lange Sicht werden die auch nicht mehr da sein, aber jetzt im Moment reichern sie dieses System auch ein bisschen an und in dieser Dichte wirken sie auch nicht mehr negativ. Es gibt z. B. Untersuchungen, dass solche Mischbestandssituationen durch die unterschiedliche Durchwurzelung dazu führen, dass durch eine gewisse Kieferbeimischung das Wasseraufnahmevermögen von Buchen verbessert wird. Also auch da wissen wir noch gar nicht alle Dinge, die wichtig sind.

Altbäume

Ziel sind mindestens 5 Alt- bzw. Biotopbäume pro ha. Es gibt das “Methusalem 2”-Programm der Landesforsten. Die Altbäume wurden entweder mit Plakette oder dem Buchstaben M markiert und dauerhaft aus der Nutzung genommen. In der LObf gibt es aber immer sehr viel mehr Altbäume als mit den Konzepten ausgewiesen ist. Der Grund ist zum einen der ohnehin geringe ökonomische Wert, zum anderen haben sie wichtige Mikrohabitate.


Totholz

Mehl integriert Naturwaldelemente in den Wirtschaftswald: Totholz spielt eine große Rolle. Ziel sind mindestens 20 m3/ha in über 100 Jahre alten Laub- und Mischwäldern und 40 m3/ha in Naturschutzgebieten. Es gibt ein Alt- und Totholzkonzept mit verbindlichen Regeln: Bäume, die aus natürlichen Gründen umfallen, z. B. nach Blitzeinschlag oder Sturm, verbleiben grundsätzlich im Bestand. Nur Teile des Kronenholzes werden aufgearbeitet, der Großteil bleibt liegen.

Das ist für Mehl keine reine Naturschutzleistung, sondern er verfolgt damit auch ein waldbauliches, ein forstliches Interesse:

  • Es geht u. a. um Nährstoffnachhaltigkeit: die Nährstoffe gehen nicht in den Ofen, sondern bleiben im Wald.
  • Und es geht um den dämpfender Effekt von Totholz auf das Waldinnenklima: Wälder mit viel Totholz sind im Sommer kühler.

Wie viel das wert ist, kann man heute noch gar nicht sagen. Um wie viel besser wächst so ein Baum, wenn viel Totholz im Wald ist? Das kann man erst in 100 Jahren ausrechnen. Und das macht das es auch so kompliziert, Akzeptanz für diese Dinge zu finden.


Mikrohabitate

Über Mikrohabitate – Mehl spricht auch von Sonderstrukturen – hat die LObf sehr viel von Experten gelernt: Mehl nennt Susanne Winter, Georg Möller und Jörg Müller.1zu Mikrohabitaten siehe Baummikrohabitate im Urwald und Vorteile der Baummikrohabitate für Bürgerinitiativen Spechthöhlen zu erhalten, das ist für viele Förster ja eine Selbstverständlichkeit. Auch Höhlenbäume werden schon häufig erhalten. Aber es gibt viele andere besondere Strukturen, Strukturen, die klein und unscheinbar, aber auch wichtig sind: Rindenrauigkeit, Risse und Spalten, Ersatzkronenbäume, Kronenbruchbäume, Zunderschwammbäume, Zwieselausbrüche, erdnahe Mulmhöhlen und und und.

Höhlenbaum

Das 1. F+E-Vorhaben (siehe unten) sprach anstatt von Mikrohabitaten noch von Naturwald- und Sonderstrukturen. Es empfahl folgende Richtwerte anzustreben:2Biologische Vielfalt und Forstwirtschaft – Naturschutzstandards für die Bewirtschaftung von Buchenwäldern im nordostdeutschen Tiefland, S. 428

  • mind. 4 von 11 Naturwaldstrukturen/ha, 3Naturwaldstrukturen sind Zunderschwammbäume, Kronenbruch, Stammbruch, Ersatzkronenbäume, Blitzrinnen, Höhlenbäume, Höhlenetagen, Höhlen ohne Mulm, Höhlen mit Mulm, Mulmtaschen und Rindentaschen. siehe a. a. O., Tab. 57, S. 242
  • mind. 10 der 20 Sonderstrukturen/10 ha. 4Sonderstrukturen sind Zunderschwamm-Bäume, Baumschwamm-Bäume, weitere pilzbesiedelte Bäume, Teilkronenbruch, Kronenbruch, Zwieselabbruch, Stammbruch, Ersatzkronenbäume, Blitzrinnen, Risse und Spalten, aufgesplitterter Stamm, Höhlenbäume, Höhlenetagen, Baum mit ausgehöhltem Stamm, Höhle mit Mulmkörper, Mulmtaschen, Rindentaschen ohne Mulm, Krebse, Schürfstellen und Wurzelteller. siehe a. a. O., Tab.14, S. 53

Es gilt das grundsätzliche Prinzip: Bäume mit Mikrohabitaten, die im Minimum vorhanden sind, werden nicht gefällt. Sonst würden diese Mikrohabitate ja gänzlich verschwinden und die Habitatkontinuität ginge verloren. Aber Bäume mit Mikrohabitaten, von denen ganz viele von da sind, dürfen entnommen werden.5siehe auch das Kapitel Wie viele Mikrohabitate braucht der Wald?

Ersatzkronenbaum

Einzelbaumnutzung

Ziel ist es, wertvolles Buchenholz zu erzeugen. Die Vermarktung geschieht ausschließlich in der Region. Die Mindestzielstärke ist mindestens 75 cm BHD. Es wird nicht schon ab 65 cm abgesägt und immer erst nach der Verjüngung. Die Eingriffsstärke ist sehr gering: rd. 30 Fm/ha alle 5 Jahre. Sie erfolgt also regelmäßig, aber mit geringen Mengen. Es ist ein großer Unterschied, ob man 30 Fm nimmt oder 100. Da sieht der Wald einfach ganz anders aus.

Z-Bäume

Mehl fährt mit mir zu einem der meistbesuchten Orte im Wald. Es ist dieser Bestand, den er immer am Anfang seiner Exkursionen aufsucht. Hier standen einmal alte Buchen. Die hat dann ein Sommersturm Mitte der 80er Jahren noch zu DDR-Zeiten umgeworfen. Die Buchen wurden genutzt, am Boden erkennt man noch die Löcher der aufgeklappten Wurzelteller. Es geht aber nicht um Windwürfe. Es geht um etwas anderes: dieser Bestand ist nämlich ein typisches Bild für quadratkilometergroße Flächen in Deutschland heute: Buchenstangenholz – für gewöhnlich das Ergebnis von Großschirmschlag.

Hier erklärt Mehl, wie er mit solchen homogenen Forstflächen umgeht, und er meint, dass man so wie er auch damit umgehen sollte. Was die Grundsätze seiner Waldwirtschaft sind, das ist bei alten Buchen einfach zu erklären: Na klar lassen wir den Spechtbaum stehen! Und wir machen auch ein bisschen Totholz! Beim Anblick von Buchenstangenhölzern kommt aber dann immer der Vorwurf der Naturschützer: Spechtbaum, Totholz – naja, alles gut und schön! Aber jetzt kommt ihr mit diesem Z-Baum-Konzept und dann wird hier alles ausgeräumt und dann kümmert ihr euch nur noch um die, um die Z-Bäume! Für Mehl ist es natürlich ein legitimer Anspruch, solche Bäume zu produzieren. Aber trotzdem ist es für ihn wichtig und auch entscheidend, schon jetzt in dem frühen Stadium an andere Dinge zu denken: er denkt z. B. immer an Mischbaumarten (Hainbuche, Birke, Bergahorn). Immer, wenn eine Mischbaumart im Minimum da ist, wird daneben kein Z-Baum ausgesucht. Er will sich nicht in die Zwangslage bringen, den Mischbaum dann irgendwann entfernen zu müssen, um an dem Z-Baum wirklich auch konsequent zu arbeiten. Der Z-Baum – der soll hochwertvolles Holz produzieren. Im Prinzip verfolgt Mehl da die QD-Strategie. Aber mit einem großen Unterschied: Ganz wenige Z-Bäume! Ganz streng aussuchen! In der Oberförsterei steht fest: Es wird überhaupt erst alle 16 m angefangen, nach einem Z-Baum zu suchen. Und wenn da keiner ist, wird auch keiner, der zweifelhaft ist, zu einem gemacht. Sondern dann geht der Förster so lange, bis er einen hat. Das führt dazu, dass auf dieser konkreten Fläche nur 15 Z-Bäume auf dem ha da sind. Das ist sehr wenig, aber auf dieser Fläche ist es eben so.

Und es schafft Freiräume für alle anderen Dinge, z. B. Mischbaumarten. Und für Bäume, die eher schlecht sind. Denn die werden stehen gelassen. Das sind dann die Biotopbaumanwärter. Im Prinzip ist das übrigens eine ähnliche Denkweise wie bei Ulli Mergner, den Mehl gut kennt. Die Biotopbaumanwärter sind nicht markiert, die muss man im Kopf haben. Wenn die Förster alles markieren würden, dann hätten wir einen bunten Wald. Einzige Ausnahme: der rote Strich für Bäume, die die Waldarbeiter fällen sollen. Und die dürfen nur abschneiden, was einen roten Strich hat.

Die Biotopbaumanwärter sind Bäume, die relativ schnell Mikrohabitate ausbilden werden. Sie haben z. B. starke Äste unten. Die werden abtrocknen, ausbrechen und so schon die erste kleine Höhle machen. Das führt dann zu einer Habitatkontinuität: Mikrohabitate wie die kleine Höhle wachsen ständig nach. So kann Mehl es sich auch leisten, mal einen Baum mit Mikrohabitaten wegzunehmen. Denn er weiß, da kommen immer wieder welche nach.

Das Ziel ist es also, an den einzelnen Z-Bäumen konzentriert zu arbeiten, den Rest aber in Ruhe zu lassen. Wenn aber alle 5 m ein Z-Baum steht, weil man am Ende 100 haben will, dann ist der Rest leer. Dann sind nur noch die Z-Bäume da und wachsen vor sich hin. Und am Ende stehen die sich auch noch selber im Weg, weil sie viel zu dicht stehen. Wenn es in der Oberförsterei mal 20 sind, dann sind es eben mal 20. Aber nie sind es 100 oder 80 – so viele können es nie werden, weil die Ansprüche an Z-Bäume hoch sind.

Wenn man sich stur an Vorgaben von z. B. 100 Z-Bäumen/ha hält, dann schematisiert und homogenisiert man diese Waldflächen. Am Ende bleibt es wieder ein Altersklassenwald, wieder ein hochanfälliges System. Dabei ist das offizielle Ziel in den Hochglanzbroschüren doch: aus Altersklassenstrukturen ausbrechen, Dauerwaldstrukturen, stufig, gemischt aufgebaute Wälder. Außerdem kommen im Altersklassenwald die ökologischen Aspekte zu kurz. Wenn man aber ökologische Dinge berücksichtigen will, dann muss man denen auch Raum und Fläche geben. Der Förster muss bei der Bewirtschaftung immer im Hinterkopf haben: welche ökologischen Folgen hat ein Eingriff?

Bodenschonende Holzernte

Es gibt ein dauerhaftes Rückegassennetz mit einem Gassenabstand von 40 m und mehr. Ein großes Problem sind die fehlenden Winter. Ohne Frost sind die Lehmböden empfindlich und das Rücken ist schwierig, v. a. wenn sie auch noch durchnässt sind. Dann ist es nicht ganz einfach, Holz zu rücken. Technische Hilfsmittel wie Ketten sind dann eine Hilfe. Auch werden dann die  Maschinen nicht voll beladen. Die Nutzbarkeit der Gassen muss auf Dauer sichergestellt sein; im Zweifel erfolgt ein Stopp des Rückens. Da Wirtschaftsruhe von März bis Juli gilt, ist eine mögliche Folge des Stopps: das Holz liegt den Sommer über und ist dann entwertet. Politischer Rückhalt für diese Folge der Bodenschonung wäre schön.

Ein Teil der Rückeleistung geschieht mit Pferden, z. B. im Kiefernforst. Im Umfeld der Oberförsterei gibt es eine Unternehmerschaft, die Pferde vorhält. Das ist nur möglich, weil der Betrieb in großem Umfang und regelmäßig  Pferde nachfragt.

In Buchenwäldern wird der Boden nicht bearbeitet. In Kiefernforsten mit sehr hohen Rohhumusauflagen ist dies manchmal nötig: aber so schonend wie möglich. Aber nie so tief, dass der Mineralboden betroffen ist. Bei der Buchensaat werden Pflanzplätze auch mit der Maschine erzeugt.

Energieholznutzung und Selbstwerbung

Es gibt keine Energieholznutzung. Hackschnitzel werden nicht produziert. Für Selbstwerber gibt es grundsätzlich eine Einweisung. Das Brennholzsägen findet konzentriert an Wegen statt, nicht in den Flächen. Zu letzterem fehlt den Selbstwerbern zunehmend auch die Lust: die Gassen liegen weit auseinander, der Wald ist undurchdringlich. Deshalb wird nur liegendes und ausgezeichnetes Holz in guter Erreichbarkeit von den Wegen aufgearbeitet. Insgesamt werden rd. 3.300 Fm an ca. 400 Kunden verkauft.

Wasserrückhalt in Mooren und Brüchen

Im Wald gibt es sehr viele kleine Waldmoore und viele Seen. In Zusammenarbeit mit dem BRSC wurden vielfältige großflächige Moorschutznahmen durchgeführt. Sehr viele Moore und Brüche wurden wieder mit Wasser gefüllt. Erlen- und Birkenmoorwälder dürfen auch mal absterben. 1.000nde ha Wald um Moore und Brüche profitieren von ihnen.

Mehl fährt mit mir zu einem der großen Waldmoore. 100 Jahre und länger war es entwässert, um Waldflächen zu gewinnen oder Wiesen, die gemäht wurden. Dann wurde ein Abflussrohr zugemacht und jetzt bleibt das Wasser im Moor. Durchgeführt wurde diese Moorschutzmaßnahme von der Verwaltung des BRSC – mit Zu- und Mitarbeit der Försterei. Mehl ist überzeugt: Je mehr man so etwas hat, desto besser. Denn hier gibt es 100te, 1000nde Festmeter Holz, wo sich Sonderstrukturen entwickeln können, immer wieder und kleinteilig. Das ist ein großer Automatismus. Ein Moor im Nachbarrevier ist stolze 80 ha groß. Dort gibt es kleine Mini-Inseln, Mineralbodenkuppen mitten im Moor, wo uralte Buchen und Eichen drauf stehen. Die Artenvielfalt ist enorm.

Der besondere Wert der Tieflandbuchenwälder besteht in der Kombination: einerseits sehr gute Böden mit sehr leistungsstarken Buchenwäldern drauf, andererseits in unmittelbarer Nähe solche hoch wertvollen Moore. Das gibt es woanders nicht.

Jagd

Wer modern sein will, sprich heute nicht mehr von Jagd, sondern von Schadenwildmanagement. Das Ziel dieses Managements ist eine Waldverjüngung ohne Zaun. Da es fast nicht möglich ist, in diesen dichten Wäldern mit vielen Versteckmöglichkeiten im Sommer zu jagen, entsteht eine lange Ruhezeit. In Wintern mit Schnee ist es wesentlich leichter als in grauen Novembertagen.

30 Drückjagden finden im Jahr in der LObf statt – mit durchschnittlich 100 Teilnehmern. Zusätzlich wird individuell gejagt. Das Rehwild steht im Vordergrund. Rot- und Dammwild hat man im Griff. Es muss zur Sache gehen: 2.500 – 3.000 Stück Schalenwild wird pro Jahr geschossen, davon 1.300 Rehe.

Mehl wünscht sich Unterstützung für die Jagd durch den Naturschutz. Denn gerade im Klimawandel geht es nicht nur um die Hauptbaumart Buche, sondern auch um andere Baumarten: Eiche, Ahorn, Esche, alle mit hoher Verbissempfindlichkeit. Wegen der völlig ungenügenden Jagd sind die Schalenwildbestände deutschlandweit exorbitant überhöht. In Brandenburg sind sie von 1957 – 2016 um das 12fache angestiegen.

Verkehrssicherung

Ja – die Verkehrssicherung ist ein Thema in der LObf. Es gibt z. B. Totalreservate, die reichen bis an die A11 und die ICE-Strecke. Und dann steht da eine 200jährige Buche direkt an der ICE-Trasse. Und man kommt da gar nicht ran und wenn, dann kriegt man die nicht weg. Und man möchte sie wenigstens als Hochstubben stehen lassen, dass die Fledermaushöhle vielleicht erhalten bleibt.

Aber ansonsten ist es das normale Geschäft: es gibt die höchstrichterliche Entscheidung, dass der Waldbesucher von waldtypischen Gefahren ausgehen muss, sofern es sich um Waldwege handelt. Also wird an Waldwegen überhaupt keine Verkehrssicherung gemacht. Emotional ist das nicht ganz durchzuhalten: da gibt es z. B. diese eine Badestelle mit dem uralten Baum. Da kommen Leute. Da stehen Kinderwagen drunter. Da fällt es schwer, diesen Baum direkt darüber zu belassen. Rein rechtlich bräuchte der Förster das nicht. Aber sofern man das nur punktuell mal macht, ist das ein überschaubares Problem.

Aber wenn es Ansprüche gibt von Joggern oder Spaziergängern, dass die Wege sicher sind, dann muss man über die Verbände auch mal klären, wie sich das finanziell gestaltet. Das kann man nicht alles per se dem Waldbesitzer überlassen. Der bringt sich nur dann in die Pflicht, wenn er die Jogger und Spaziergänger ganz bewusst einlädt: Kommt hierher! Nutzt diesen Weg! Aber wenn die LObf jetzt feststellen würde, hier rennen jeden Tag ein paar Läufer lang, dann würde sie sich nicht in der Pflicht fühlen.

Finanzen

Es gibt finanzielle Vorgaben von der Politik. Die erfüllen die Oberförsterei und die Landesforsten auch. Selbstverständlich sagen die Politiker, dass der Landesbetrieb Holz produzieren soll. Und das macht der auch. Aber Mehl hat einen Wunsch: Bei den Vorgaben, die die Politiker machen, mögen sie bitte auch alle Aufträge berücksichtigen, die sie den Landesförstern geben. Wenn die Politiker sagen – und das in den Hochglanzbroschüren auch schreiben – : Der Auftrag der Landesforsten ist: Totholz im Wald. Und gemischte Wälder. Und strukturreiche Wälder. Das ist euer Auftrag als Landesforsten, das wollen wir so – siehe Hochglanzbroschüren. Dann muss man aber auch die entsprechenden Verfahren akzeptieren, die nötig sind, um diesen Auftrag zu erfüllen. Das kostet Geld. Und dann kann man nicht gleichzeitig den Gewinn aus den Holzerlösen maximieren. Dann kann der Gewinn nur einer von vielen gleichberechtigten Zielen sein. Denn: Mehr Totholz z. B. führt nicht zu mehr Gewinn. Für Totholz bezahlt kein Sägewerk. Der monetäre Vorteil totholzreicher Wälder lässt sich nicht gut in Euro ausrechnen. Es wäre deshalb schön, wenn die Politik sagen würde: Liebe Landesforsten, wir erwarten von dir einen geringeren Gewinn, als rein von den Zahlen her möglich wäre. Dafür produziert ihr dann mehr Totholz. Das passiert leider noch nicht ausreichend genug.

Ich frage nach der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW): wie die das sieht mit den Finanzen? Mehl erinnert an den Namen: die ANW heißen ja Waldwirtschaft. Da spielen ökonomische Dinge immer auch eine Rolle. Die ANW ist aus dem Privatwald geboren. Man hat sich gefragt, ob man über natürliche Prozesse nicht auch viel kostengünstiger arbeiten kann. Es ging also immer auch um Geld. Aber es gibt in der ANW neuerdings einen großen Diskussionsprozess zu den ökologischen Aspekten. Vor ein paar Jahren wurden die Grundsätze um ökologische Dinge erweitert. Das wurde konkreter formuliert, als es in der Vergangenheit der Fall war. Nach wie vor ist man in der Diskussion: wie weit geht das mit der Ökologie? Was will man in Kauf nehmen? Wie ist das mit dem Totholz? Mehl macht Werbung für komplexeres Denken, für die Rückkopplung ökologischer auf ökonomische Dinge. Es gibt Projekte in der ANW, die das auch monetär besser erfassen wollen. Kloster Loccum und das Stiftsforstamt in Bayern, da laufen mit Uni-Betreuung solche Untersuchungen.

Das Schlechte fällt zuerst! Das war ja ein berühmter Grundsatz der ANW. Aber heute wird, was gut ist, nicht mehr nur ausschließlich am Holz festgemacht, sondern auch daran, welche Funktion dieser Baum hat. Wenn der beispielsweise einfach nur da ist, um den Schirmschutz zu halten, dann spielt seine Qualität nur eine untergeordnete Rolle. Oder wenn er ein wichtiges Mikrohabitat hat, um Artenvielfalt zu erhalten, dann ist das das Gute an ihm! Hat ein Totholzkäfer einen monetären Wert? Zunächst mal oberflächlich betrachtet nicht, aber in der komplexen Wirkung, z. B. als möglicher Gegenspieler zu Schadinsekten? Man kann das alles noch gar nicht wissen. Es sind auch ganz viele Vorsorgegründe dabei: dann vernichten wir doch mal so wenig wie möglich, wer weiß, wofür das gut ist – auch, um diese Wälder als Wirtschaftswälder stabil und leistungsfähig zu halten. Eines ist klar: zu Brennholz kann man jeden Baum machen. Aber dann ist der Baum weg und wieder herstellen kann man ihn nicht. Und vielleicht war er ja wichtig für den Wirtschaftswald.6siehe dazu auch die Templiner Erklärung des ANW Brandenburg

Personal

Menschen sind wichtig. Ein Beispiel ist der ehemalige Revierleiter, der zu DDR-Zeiten hier tätig war und bis 2011 auch geblieben ist. Er hat die alten Buchen geschützt und sich darum gekümmert, dass nicht alles in Kiefern-Dickungen umgewandelt wurde. Er hat sein Revier auch gut durch die Staatsjagd gebracht. Man braucht Leute vor Ort, die sich den Waldflächen verbunden fühlen, sich auskennen und qualitativ gut auf der Fläche arbeiten. Manchmal hat Mehl Schwierigkeiten, Unternehmen zu finden, die hier im Wald Handarbeit abliefern wollen und sich dafür bewerben und das in guter Qualität machen. Denn die alten Buchen sind nach wie vor Handarbeit. Da will er keine großen Maschinen drin haben. Er meint: Das Geld von Frau Klöckner sollte für gutes Personal eingesetzt werden.7siehe Nationaler Waldgipfel: Landwirtschaftsministerin Klöckner will Deutschland aufforsten, Tagesspiegel vom 25.9.2019 

Lernen und diskutieren

Die LObf veranstaltet viele Exkursionen und zeigt, was sie macht. Sie bekommt auch viele Einladungen. Sie sucht Partner, keine Feinde. Solche Partner sind z. B. Susanne Winter, Georg Möller oder Jörg Müller. Kritische Fragen sind hilfreich, sie schützen vor Selbstzufriedenheit und helfen dabei, sich zu hinterfragen und zu klären, wo man steht.

Wichtig ist die Arbeit mit Naturschutzverbänden. Mehl möchte verhindern, dass ein gegenseitiges Misstrauen entsteht. Manchmal argwöhnen Naturschutzverbände, dass der Förster Sachen versteckt. Deshalb macht die LObf offensiv Exkursionsangebote und zeigt den Leuten, was sie alles so macht. Die Leute sind auch gekommen. Es gibt 10 solcher Exkursionen im Schnitt pro Jahr.

Umgang mit Kritik

Mehl erinnert sich gut an einen Fall, wo sich ein Bürger beschwert hat. Da würde ja alles ausgeräumt, lautete ein Vorwurf. Der Kritiker hat sich auch an prominente Stellen gewandt, bei den Grünen bis in die Parteispitze. Der Revierleiter und Mehl haben den Bürger, der das mit einer E-Mail in die Welt geschickt hatte, sofort eingeladen. Zwei Tage später waren sie mit ihm im Wald und haben alle Dinge, die negativ beanstandet worden sind, Punkt für Punkt abgearbeitet. Es blieb nichts übrig; viele Dinge erklären sich ganz anders, wenn man mal gefragt hat. Natürlich liegt dann so ein alter Baum auf dem Holzpolter, wenn es aus Verkehrssicherungsmaßnahmen stattfindet. Und das war dort der Fall. Es wurde gesagt, dass wir aus der Kernzone da Sachen entnommen haben. Das stimmte gar nicht. Es wurde gesagt, dass wir eine Allee zerstört haben. Dabei handelte es sich um einen Waldweg, wo links und rechts die Stämme lagen zum Abtransport. Das waren aber keine gefällten Alleebäume, sondern die waren aus 50 ha Wald links und rechts an diesen Weg gebracht worden. Da gab es nie eine Allee, aber so ist das in die Welt geschickt worden, so oberflächlich recherchiert. Das hat sich dann in Wohlgefallen aufgelöst, wir sind auf die Person zugegangen, sofort angerufen, der war sofort klar, oh, ja, ob das jetzt alles so gut war … Die LObf hatte von der Kritik durch Dritte erfahren. Dabei hätte man den Revierleiter oder Mehl ja auch direkt ansprechen können. Am Ende hat der Bürger das im selben E-Mail-Verteiler korrigiert: das hat er nicht ganz richtig gesehen, das hat er erklärt bekommen, so und so hängt das zusammen.

Für Mehl ist es wichtig, dass Förster ihre Hausaufgaben verlässlich und gut machen. Die Qualitätsstandards, die sie in Hochglanzbroschüren in die Welt tragen, die müssen dann natürlich auch auch eingehalten werden, mit allen Konsequenzen. Mehl fährt mit mir kreuz und quer durch den Wald. Das kann sich jeder angucken, schlussendlich nützt die Heimlichtuerei doch nichts, man muss offensiv mit den Sachen umgehen, man muss sich offensiv mit der Kritik auseinandersetzen. Das hat manchmal Berechtigung. Manchmal ist es Unwissenheit. Dann muss man versuchen, es zu erklären. Man wird nicht bei allen Dingen auf einen Nenner kommen, es gibt immer Leute, die sagen: Ja, wenn hier überhaupt kein Förster wäre und das alles stillgelegt wäre …! Das muss man dann einfach auch zur Kenntnis nehmen. Aber wenn man bestimmte Ziele verfolgt und auch verfolgen soll, dann gibt es auch entsprechende Bilder, z. B. von gefällten Bäumen, die am Weg liegen.

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