Haben Sie die Bürger belogen, Herr Haering?

Ich habe einen offenen Brief an Forstdirektor Roland Haering, den Leiter der Abteilung “Waldungen und Baumpflege” von Grün-und-Gruga-Essen, geschrieben. Den Brief können Sie im Lokalkompass nachlesen: Haben Sie die Bürger belogen, Herr Haering?

Auf der folgenden Seite finden Sie hochauflösende Fotos vom geräumten Lührmannwald und weiterführende Informationen:

Direkt nach dem Pfingststurm Ela habe ich den Windwurf im Lührmannwald dokumentiert: Pfingststurm Ela im Lührmannwald.

Mitte November haben die Förster von Grün-und-Gruga den Wald fein säuberlich aufgeräumt. Wenn erst die riesigen Kronenholz- und Reisighaufen und die Baumstämme am Wegesrand in das benachbarte Biomasseheizwerk abtransportiert sind, wird nichts mehr an den Pfingststurm erinnern:

 

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Drei Anmerkungen zum offenen Brief an Herrn Haering

Ich möchte den offenen Brief mit drei Anmerkungen versehen:

1. Verkehrssicherung

Es gibt im Internet eine Kurzbiografie von Herrn Haering: Kurzbiografie Roland Haering. In der wirklich sehr kurzen Biografie taucht gleich dreimal das Wort “Verkehrssicherung” bzw. “Verkehrssicherungsfragen” auf. Grün-und-Gruga-Essen ist förmlich besessen von der Idee der Verkehrssicherheit. Alte Buchenwälder gelten in Essen nicht als “verkehrssicher”. Deshalb werden sie abgeholzt. Ich bin mir sicher, dass der Grund für die restlose Entfernung des Sturmholzes aus dem Lührmannwald die “Verkehrssicherung” ist.

2. Biomasseheizwerk

Direkt am Lührmannwald steht seit Mitte 2012 Essens Biomasseheizwerk. Betreiber ist die Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (EVV). Dort werden jährlich 2.600 Tonnen Holz angeblich “klimaneutral und rein regenerativ” verbrannt. Peter Wohlleben widerspricht energisch diesem Märchen: Heizen mit Holz ist nicht klimaneutral. Lesen Sie seinen Aufsatz: “Ausgeplündert und verarmt – Der Wald als Rohstofflager für Bioenergie”.

3. Horst Stern und Robert Musil zum Försterwald

Der 1979 erschienene Aufsatz “Waldeslust gestern, heute, morgen” von Horst Stern hat nichts von seiner Aktualität verloren. Als komme er gerade aus dem Lührmannwald, schreibt er über den “Försterwald”:

“Er wird meist gepflanzt, in der Regel gepflegt und immer geerntet. Baumarten, Baumzahlen und Baumalter bestimmt der Mensch. Die Natur wurde zur Magd des Holzmarktes degradiert. Der österreichische Schriftsteller Robert Musil: ‘Ein Wald, meist aus Bretterreihen bestehen, die oben mit Grün verputzt sind’. … Das Ideal ist der gepflegte, der aufgeräumte Försterwald, von Wegen durchzogen, von Baumleichen geräumt. Robert Musil spottete: ‘Urwälder haben etwas höchst Unnatürliches und Entartetes. … Ein deutscher Wald macht so etwas nicht.’ ”  ((Horst Stern, Waldeslust gestern, heute, morgen, in: Das Horst Stern Lesebuch, München 1992, S. 133))

Selbst die Handvoll vom Sturm geworfener Bäume, die die Förster von Grün-und-Gruga im Lührmannwald haben liegen lassen, gehören zum künstlichen Forst dazu. Robert Musil:

“Die schlauen Förster sorgen bloß für ein wenig Unregelmäßigkeit, für irgendeinen Baum, der hinten etwas aus der Reihe tritt, um den Blick abzufangen, einen querlaufenden Schlag oder einen gestürzten Stamm, den man sommersüber liegen läßt. Denn sie haben ein feines Gefühl für die Natur …”  ((Musil, Robert: Wer hat dich, du schöner Wald …?, in: Nachlass zu Lebzeiten, 1936))