Streit zwischen Steuer, Panek und Mergner

Stellungnahme zum Leserbrief von Daniel Steuer durch Norbert Panek am 19. Juni 2014

 

Einleitung

Der Leserbrief von Steuer konnte nicht unbeantwortet bleiben: Nicht nur, dass er  behauptete, “die Buche im Steigerwald (sei) so schutzbedürftig wie ein Reisfeld in China”. Gleich zweimal griff er, ohne freilich den Namen zu nennen, Georg Sperber an: Das Gutachten zum Steigerwald sei “zweitklassig”. Es stütze sich auf die “welken Erinnerungen eines pensionierten Forstamtsleiters”. Damit nicht genug: Der Nationalpark diene “der Selbstverwirklichung von ehemaligen Ikonen der Naturschutzszene”. Starker Tobak! Geschickt spielte Steuer die Land- gegen die Stadtbevölkerung aus: Der Nationalpark diene als “Erholungskulisse für stressgeplagte Groß- und Vorstadtbewohner” und als “Freizeitidylle der ‘Urbanisierungsopfer'”. Da traut sich einer was! Nicht, dass ich Steuers Position teilen würde. Ganz im Gegenteil! Aber der Mann kann formulieren. Und wenn er selbst und nicht eine Public-Relation-Firma im Dienst der Bayerischen Staatsforsten auf die Idee mit dem “Reisfeld” und der “Erholungskulisse” gekommen ist, dann hat er auch Grips. Was man ja nun beileibe nicht von allen Förster behaupten kann. Leider kämpft Steuer auf der falschen Seite und er kämpft auf verlorenem Posten. Vielleicht erklärt das die Bitterkeit, die seinen Brief durchzieht.

Mit Norbert Panek antwortet einer der führenden Kräfte bei der Einrichtung des Nationalparks Kellerwald-Edersee und er zahlt mit gleicher Münze heim:

 

Leserbrief von Norbert Panek am 19. Juni 2014

Als Gutachter (u. a. für das Bundesamt für Naturschutz, Greenpeace und Bund Naturschutz in Bayern) verfolge ich intensiv die Diskussion um einen möglichen Nationalpark im Steigerwald schon seit einigen Jahren und auch in Hessen habe ich die Kontroverse um den Nationalpark Kellerwald-Edersee aufmerksam begleitet.

Allen Diskussionen gemeinsam ist die überwiegend unsachliche, teilweise „unter die Gürtellinie” zielende Argumentation von Forstvertretern. Erschreckend dabei ist immer wieder die naturschutzfachliche Inkompetenz, die gerade auch hochrangige Forstfunktionäre an den Tag legen. Ein Beispiel dafür liefert der stellvertretende Leiter des Forstbetriebs Ebrach, Daniel Steuer, in seinem Beitrag “Der geklaute Wald …” im Steigerwald-Kurier. Es stellt sich die Frage: Wer klaut hier wem den Wald? Die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) und deren Vertreter tun so, als würde ihnen der Wald gehören, und sie agieren so, als würde es sich dabei um Privateigentum handeln, über das ausschließlich die BaySF verfügen könne. Nach meiner Kenntnis umfasst das Schutzgebiet “Hoher Buchener Wald” ausschließlich Staatswald, d. h. diese Flächen gehören somit im übertragenen Sinn allen steuerzahlenden Bürgern Bayerns. Zudem gingen dem Inkrafttreten der Schutzverordnung Beschlüsse der politisch legitimierten, regionalen und örtlichen Gremien voraus (Kreistag Bamberg und Marktgemeinderat Ebrach), die damit ihren Willen zur Ausweisung eines größeren Schutzgebiets im Steigerwald bekundet hatten.

Mit dem willkürlichen, fast feudalherrschaftlich anmutenden „Aussetzen” des Vollzugs der Verordnung übergeht die Landesregierung diese klare Willensbekundung in einer Weise, die massiv am Demokratieverständnis der verantwortlichen Akteure zweifeln lässt. Als Begründung soll jetzt ein „erweitertes betriebliches Naturschutzkonzept” herhalten, das die Schutzausweisung ersetzen soll. Es ist offensichtlich, dass dies nur vorgeschoben ist, weil es der Landesregierung und den BaySF schlicht gegen den Strich geht, dass ein Landrat ohne ihr Mittun Fakten schafft, und es ist beschämend, mit ansehen zu müssen, wie sich jetzt einzelne Vertreter der einschlägigen Forstriege zu Lakaien einer völlig
absurden Naturschutzpolitik degradieren lassen.

Was Herr Steuer zu den fachlichen Hintergründen des Schutzgebiets “Hoher Buchener Wald” beizutragen hat, ist schlicht und einfach Humbug. Weil die Buchen im neuen Schutzgebiet gerade mal 90 Jahre alt und ohnehin keine “Seltenheit” für den Steigerwald seien, gebe es nach seiner Ansicht auch keinen Grund, sie zu schützen. Bedauerlicherweise hat Herr Steuer offensichtlich immer noch nicht begriffen, worum es sowohl bei der ausgewiesenen Schutzfläche als auch bei einem Nationalpark hauptsächlich geht: Nämlich um den Schutz der natürlichen Entwicklungsprozesse ohne forstliche Nutzung! Und dieser Schutz ist dringend notwendig angesichts der immer intensiver werdenden Bewirtschaftung in unseren Wäldern, die gerade für die natürliche Waldentwicklung kaum Spielräume zulässt – auch im Steigerwald!

Wenn Herr Steuer behauptet, dass es heute keine ökologischen Unterschiede zwischen einer Vollnaturschutzfläche und einem Wirtschaftswald gebe, dann ist das glatt gelogen. Schaut man sich nur den Steigerwald mal genauer an, dann zählen allein die nicht mehr forstlich genutzten Flächen zu den eigentlichen, ökologischen „Hot spots”. Die Naturwaldreservate, die im Steigerwald gerade 429 Hektar (!) umfassen, beherbergen mehr als zwei Drittel der im Steigerwald nachgewiesenen Totholzkäfer-Arten. Die Reservate „Waldhaus” und „Brunnstube” sind die eigentlich wertgebenden Teile des gesamten Steigerwalds. Es ist deshalb absolut begründet und fachlich sinnhaft, die beiden überregional hochwertigen „Hot spots” mit einer größeren Schutzfläche (Hoher Buchener Wald) zu verbinden.

Mit knapp 1.000 Hektar Stillegungsflächen sind gerade 6 % der Staatswaldbereiche des Forstbetriebs Ebrach aus der Nutzung entlassen. Zusammen mit dem zusätzlichen Schutzgebiet wäre die Forderung der Nationalen Biodiversitätsstrategie (10 %) mehr als erfüllt. Auch aus dieser Sicht ist die erfolgte Schutzausweisung sinnvoll und gerechtfertigt.

Das markige Motto „Schutz trotz Nutzung”, das sich der Forstbetrieb Ebrach auf die Fahnen geschrieben hat, ist fachliche Augenwischerei. Auf den im „Naturschutzkonzept” dargestellten „Extensivierungsflächen”, die gerade gut ein Drittel der Gesamtwaldfläche ausmachen, werden lediglich etwa 5 % des betrieblichen Gesamt-Holzeinschlags für die Totholzanreicherung vorgehalten. Was zusätzlich noch an so genannten „Biotopbäumen” stehen bleiben soll, entscheidet der Förster vor Ort. Faktisch wird also auf 60 % der verbleibenden Wirtschaftswaldfläche weiter intensiv Holz genutzt – ohne Rücksicht auf Verluste! Ein untaugliches „Naturschutzkonzept” dient dazu, diese Fakten zu kaschieren.

Tatsächlich geht es, wie Herr Steuer bemerkt, um „Macht und Einfluss auf ökologisch interessante Flächen”. Gerade deshalb lässt die bayerische Landesregierung und ihre rückwärts gerichtete Naturschutzpolitik auch kein neues Schutzgebiet zu; die Ausweisung widerspricht dem Kernsatz einer antiquierten Forstideologie nach bayerischem Muster: Nutzung um jeden Preis! Demzufolge darf es auch keinen Nationalpark und schon gar nicht ein „Weltnaturerbe Steigerwald” geben. Wie verbohrt und rückständig müssen Politiker, insbesondere zwei Staatsminister sein, um solche Leuchtturmprojekte zu blockieren?

Ich rufe die Menschen in der Steigerwaldregion auf, sich von den Machenschaften „selbsternannter” Forstexperten endlich nicht mehr länger blenden zu lassen.

Norbert Panek
Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder
An der Steinfurt 13
34497 Korbach

Hier geht es zum Download des Leserbriefs im Original: Leserbrief Panek.

Von Panek empfehle ich Ihnen die drei Bücher:

  • Panek, Norbert: Kellerwald & Edersee, Natur- und Kulturführer, Niedenstein 3. Auflage 2006
  • Panek, Norbert: Urwald-Ängste, Korbach 2006
  • Panek, Norbert: Wilde Wälder braucht das Land, Vöhl-Basdorf 2013

Außerdem verweise ich auf meine Webseite über die Zerstörung der Buchenwälder im hessischen FFH-Gebiet Hoher Keller. Panek hat dazu 2 Gutachten geschrieben.

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