Faktencheck: Politiker

Von Politikern vor Ort und vom Tourismus

Mergner behauptet:

 “Der Politiker vor Ort sieht im Nationalpark ohnehin nur den touristischen Aspekt. Das Etikett ‘Nationalpark’ soll Hotels und Gastronomie füllen. Der Naturschutz als Vehikel für Regionalentwicklung.” ((Waldtrittsteine, S. 19))

Richtig ist:

Mergner kennt tatsächlich viele “Politiker vor Ort”, die “Hotels und Gastronomie füllen” wollen: Allerdings benutzen sie nicht das “Etikett ‘Nationalpark'”, sondern das Etikett “Nachhaltigkeit erleben”: 3 Millionen € Steuergelder hat der Freistaat in das Steigerwald-Zentrum in Handthal investiert und, weil das nicht reicht, auch gleich noch 8 Millionen € in den Baumwipfelpfad in Ebrach. Ziel ist es ganz offen, Touristen in den Steigerwald zu locken. Der “Erfolg” dieser Einrichtungen bemisst sich einzig an den Besucherzahlen: 41.000 waren es im ersten Jahr. ((siehe Steigerwald-Zentrum ist ein Erfolg, Fränkischer Tag vom 24. September 2015)) Zum Vergleich: Die Würzburger Residenz besuchten von 2000 – 2010 im Schnitt 350.000 Touristen. ((siehe Wikipedia über die Würzburger Residenz)) Fast so viele sollen zukünftig den Baumwipfelpfad besuchen: 200.000 sind versprochen. Der Bürgermeister von Burgebrach, Johannes Maciejonczyk, hat bereits öffentlich gefordert, von diesen Massen jährlich etwas “abhaben” zu wollen. ((Burgebrach will was abhaben, Fränkischer Tag vom 21. Dezember 2015)) Diese Form von “Naturschutz als Vehikel für Regionalentwicklung” hat Mergner selbstverständlich nicht öffentlich kritisiert. Es hätte ihn auch seinen Job gekostet.

Ein Bürgermeister wie Max-Dieter Schneider aus Ebrach hat begriffen, was ein Förster der BaySF wie Mergner partout nicht begreifen will: Bewirtschaftete Buchenwälder sind kein Touristenmagnet:

„Wir brauchen ein Schutzgebiet für einen Weltnaturerbetitel und wir brauchen einen Nationalpark.“ ((Nationalparke sind gut für Mensch und Natur!))

Tourismus und Erholung spielen in den Überlegungen von Mergner überhaupt keine Rolle; in seiner 114 Seiten langen Powerpoint-Präsentation über das Trittsteinkonzept kommt das Thema nicht ein einziges Mal vor. Der ganze touristische Dienstleistungssektor existiert in seiner Welt einfach nicht. Lieber wird über die 2.300 Kunden schwadroniert, die der Forstbetrieb mit “Brennholz der kurzen Wege” beliefert. Oder über die 25 “mittelständischen Sägewerke”, für die das “Stammholz der kurzen Wege” produziert wird. ((Folien 50 – 54)) Die “Erholungsfunktion” (§ 18 Bayerisches Waldgesetz Absatz 1 Satz 5) spielt für die “Optimierung des Gesamtnutzens aller Waldfunktionen” ((Folie 55, § 18 Bayerisches Waldgesetz Absatz 2 Satz 1 )) offenbar keine Rolle. Verächtlich spricht Mergner von “Städtern”, die die “heile Welt auf dem Land” suchen.

Vermutlich glaubt Mergner, dass Laien seinen Forstbetrieb genauso schön finden wie er selbst. Viele Förster sind so: Sie gehen ganz hingerissen durch einen “Buchen-Eichen-Altbestand mit Verjüngung aus verschiedenen Laubbaumarten”, wie er in Abb. 2 des Waldtrittstein-Aufsatzes gezeigt wird, und platzen vor Stolz, dass ihnen die Naturverjüngung so toll gelungen ist und dass hier sogar eine Elsbeere und dort eine Vogelkirsche steht, und begreifen gar nicht, dass solche Kunstwälder nur eines sind: langweilig.

4096px-Würzburger_Residenz,_GartenfrontWürzburger Residenz, Foto von Rainer Lippert

Und so besuchen die Touristen lieber die beiden UNESCO-Weltkulturerbestätten in unmittelbarer Nachbarschaft von Ebrach: Würzburg mit seiner Residenz und Bamberg mit seiner Altstadt:

  • Die Stadt Würzburg zählte von Januar – November 2015 828.746 Übernachtungen. ((alle Zahlen zum Tourismus vom Bayerischen Landesamt für Statistik)) Das macht 6,7 Übernachtungen pro Einwohner.
  • In Bamberg übernachteten im selben Zeitraum 569.778 Touristen. Das entspricht sogar 7,9 Übernachtungen pro Einwohner.

Bamberger DomBamberger Dom

Im Einzugsbereich des Ebracher Forstbetriebs waren es signifikant weniger Übernachtungen: 208.420 im Landkreis Haßberge im Norden und 338.122 im Landkreis Bamberg im Süden – zusammen 546.542 Übernachtungen. Das sind nur 2,4 Übernachtungen pro Einwohner.

ÜbernachtungenEinwohnerÜbernachtungen/Einwohner
Würzburg828.746124.2196,7
Bamberg569.77871.9527,9
Lkr Haßberge208.42084.1522,5
Lkr Bamberg338.122144.6952,3

Man könnte es auch so formulieren: Die Altstadt von Bamberg und die Residenz von Würzburg ist für Touristen dreimal so attraktiv wie der Ebracher Forst. Nehmen wir einmal an, eine Übernachtung sorgt für einen Umsatz von 100 €, und nehmen wir weiter an, die Übernachtungen würden sich durch einen NLP verdoppeln, so bedeutete dies einen zusätzlichen Umsatz von 55 Mio. €. ((= 546.542 x 100)) Zum Vergleich: Der Umsatz des Forstbetriebs Ebrach lag 2013 bei 6 Mio. €. ((siehe Antwort des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 27.12.2013 auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler), S. 1)) Das ficht einen Mergner nicht an: Er hält “Naturschutz als Vehikel für Regionalentwicklung” für falsch. Warum eigentlich?

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