Faktencheck: Politiker

Das NIMBY-Prinzip

Mergner behauptet:

“[…] heute steht knallhartes politisches Kalkül im Vordergrund, wenn es zu einer Nationalparkausweisung kommt. Ob, und wenn ja, wo ein Nationalpark ausgewiesen wird, hängt immer weniger von fachlichen Kriterien ab.” ((Waldtrittsteine, S. 19, Hervorhebungen von mir))

Richtig ist:

Es gibt gleich mehrere voneinander unabhängige Studien, die alle zu dem Ergebnis kommen, dass der Steigerwald sehr wohl die “fachlichen Kriterien” für die Ausweisung eines NLPs erfüllt. ((siehe die Liste bei Stöcker)) Die aktuellste Studie aus dem Jahr 2015 stammt von Isabel Stöcker, Franz Moder und Pedro Gerstberger: Naturschutzfachliche Kriterien für die Ausweisung eines Nationalparks. Eine Überprüfung am Beispiel des Potenzialgebiets “Nördlicher Steigerwald” ((Naturschutz und Landschaftsplanung: Zeitschrift für angewandte Ökologie (2015), Bd. 47/1, S. 21-29; Der Aufsatz ist leider nicht online, kann aber bequem über Fernleihe bei der Stadtbibliothek bestellt werden.)) Das Ergebnis fällt eindeutig aus: sechs von sieben Kriterien werden erfüllt. ((a. a. O., Tab. 6, S. 28))

Kriteriumerfüllt
Großräumigkeit (mind. 10.000 ha)ja
repräsentatives Ökosystemja
Naturnäheja
Unzerschnittenheitteilweise
Störungsarmutja
besondere Artvorkommen / Artenvielfaltja
Bedeutung im Biotopverbundja

Förster wie Mergner wehren sich gegen die Ergebnisse solcher Studien regelmäßig mit der Behauptung, dass gerade ihr Wald den sogenannten “fachlichen Kriterien” nicht entsprechen würde. Und dass es viel mehr Sinn machen würde, den ungleich höherwertigen Wald in Hintertupfingen zum NLP zu machen. Woraufhin dann die Förster in Hintertupfingen ihrerseits den Wert ihres Waldes bestreiten und stattdessen den Wald in Vordertupfingen für einen NLP vorschlagen. Das logische Ende dieser Argumentationsstrategie ist, dass man ernsthaft vorschlägt, doch besser die Buchenwälder in der Ukraine zu schützen als die in Deutschland. Das Ganze funktioniert nach dem St. Florians-Prinzip: “Heiliger Sankt Florian / Verschon’ mein Haus / Zünd’ and’re an!” Man nennt es auch das NIMBY-Prinzip: Not In My Back Yard! Nicht in meinem Hinterhof!

Manfred_Suess_Oberammergau

Ein aktuelles Beispiel für NIMBY liefert Meinhard Süß, wie Mergner Forstbetriebsleiter der BaySF, aber in Oberammergau, wo Naturschützer sich ebenfalls für einen NLP einsetzen, den NLP Ammergebirge. ((siehe die Homepage des Fördervereins NLP Ammergebirge)) Süß ist grundsätzlich natürlich auch für NLPs, aber: Nicht in meinem Bergwald! In der Sendung mit dem bezeichnenden Titel Wirtschaft gegen Wildnis – Wie viel Urwald können wir uns leisten? vom 11. Januar 2016 sagt er:

“Über allem schwebt ja die Frage: Können wir oder wollen wir auf die Nutzung des nachhaltigen Rohstoffs Holz verzichten. Das kann man natürlich machen. Aber dazu, meine ich, braucht es gute Gründe. Im Gebirgswald ist der Artenschutz kein besonders guter Grund, weil die Wälder wurden seit Alters her relativ extensiv bewirtschaftet. Die Artengarnitur des Bergwalds bezogen auf die Pflanzen- und Tierwelt ist komplett. Mit Ausnahme der großen Drei – Wolf, Luchs und Bär, das hat nichts mit Forstwirtschaft zu tun. Wir haben ja jetzt eigentlich den Königsweg gefunden: Wir können sowohl nützen als auch schützen auf der gleichen Fläche.”

Dazu zeigt der Film ab Minute 6 Bilder einer Fichtenplantage mit “kompletter Artengarnitur”, die vom Wind umgeworfen und dann vom Borkenkäfer befallen wurde. Deswegen wird sie gerade “relativ extensiv” kahlgeschlagen. Süß spricht, als würde er aus einem Hochglanzprospekt der BaySF vorlesen: “Nutzung des nachhaltigen Rohstoffs Holz”, “Königsweg”, “Nützen und Schützen auf der gleichen Fläche”. Wie kann ein Leitender Forstdirektor der BaySF vor laufender Kamera nur behaupten, die Artengarnitur des Bergwalds sei komplett?

forstbetrieb_oberammergau

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