Faktencheck: Naturwaldreservat Waldhaus

Warum wurde das Naturwaldreservat Waldhaus vergrößert?

Über das Naturwaldreservat Waldhaus erfahren wir auf der Webseite der Bayerischen Staatsforsten nichts. In der alphabetisch sortierten Liste fehlt es samt seinem Nachbarn Brunnstube gleich ganz. ((siehe Snapshot der Webseite vom 25.12.2015))

“Nach und nach bauen wir auf unserer Webseite eine Sammlung auf, in der Sie sich über die einzelnen Naturwaldreservate ausgiebig informieren können.”

Knapp 40 Jahre nach seiner Gründung schweigen die Staatsforsten zwei der wichtigsten Naturwaldreservate in Bayern tot. Auch die Bayerische Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft gibt sich wortkarg: Mehr als sechs Sätze und ein winziges unscharfes Foto gönnt sie dem Reservat nicht. ((siehe Snapshot der Webseite vom 25.12.2015)) Dabei steht Waldhaus mit 314 Holzkäferarten an der Spitze der Buchenwaldreservate in Bayern. Aber die Naturwaldreservate waren immer schon die Stiefkinder der Forstwirtschaft und verwaltet wurden sie von Krämerseelen. Bis heute gönnt man den 159 Reservaten nur 7.141 ha. Das entspricht weniger als 1 % der 720.000 ha Waldfläche der Staatsforsten.

Mergner hat seine Zahlen aus einem Aufsatz von J. Müller, J. Bail, H. Bussler, A. Jarzabek-Müller, F. Köhler und J. Rauh aus dem Jahr 2009. Der Aufsatz trägt den Titel “Naturwaldreservat Waldhaus als Referenzfläche für Biodiversität von Buchenwäldern in Bayern am Beispiel der holzbewohnenden Käfer”. ((Erschienen ist der Aufsatz in: Beiträge zu bayerischen Entomofaunistik 9: 107-132, Bamberg (2009). Die Arbeitsgemeinschaft bayerischer Entomologen stellt den Aufsatz als PDF-Datei auf ihrer Webseite zur Verfügung.)) Mergner verschweigt seine Quelle und zitiert falsch: Das Naturwaldreservat Waldhaus war bei seiner Gründung 1978 nicht 12, sondern sogar nur 10 ha groß.

Es ist eine Schnapsidee, Naturwaldreservate von nur 10 ha Größe einzurichten. Das benachbarte Reservat Brunnstube war mit 5 ha sogar noch kleiner. Eine solch winzige Fläche reicht hinten und vorne nicht aus, damit beispielsweise Holzkäfer große und stabile Populationen aufbauen können, die nicht von der erstbesten Katastrophe dahingerafft werden. Auf solchen Miniflächen stehen dann z. B. nur einige wenige Bäume mit Mulmhöhlen. Im Naturwaldreservat Waldhaus waren es auf den 10 ha insgesamt nur 32. ((J. Müller u. a., Naturwaldreservat Waldhaus …, S. 108 )) In diesen treten sich die Mulmkäfer gegenseitig auf die Füße. Wenn ein Sturm wie der am 30. Juni 2012 im Naturwaldreservat Brunnstube ((siehe Die Wildnis nach dem Sturm, Fränkischer Tag vom 7. Juli 2012)) die uralten Bäume gleich hektarweise umwirft, haben Käfer wie der Eremit ein Problem:

“Eremiten können zwar fliegen, aber sie tun das ungern und dann über nur kurze Distanzen. Im Urwald reicht das, steht doch ein geeigneter Ersatzbaum gleich in der Nähe, sollte das langjährige Familienquartier unbewohnbar werden. […] Auf Dauer können nur großflächige Waldreservate das Weiterleben solcher Urwaldrelikte […] sichern.” ((Georg Sperber und Thomas Stephan, Frankens Naturerbe – Buchenwälder im Steigerwald, Bamberg 2008, S. 87 f., Hervorhebungen von mir))

Andere Holzkäfer sind Frischholzbesiedler: Es nützt ihnen nichts, wenn im Reservat nur alte Stämme vor sich hin modern. Nur große Naturwaldreservate bieten die Gewähr, dass ständig Totholz verschiedenster Qualitäten in ausreichenden Quantitäten zur Verfügung stehen. Deswegen fordert ein Käferexperte wie Frank Köhler für das nordrhein-westfälische Naturwaldzellenprogramm:

“Hier sollte insbesondere die Erweiterung wertvoller, im Bundesvergleich viel zu kleiner Reservate ins Auge gefasst werden, aber auch die Einrichtung weiterer Naturwaldzellen. […] nach wie vor gilt es, vorhandene Naturwaldzellen zu vergrößern, das Netz von Schutzgebieten auszubauen […]” ((Frank Köhler, Untersuchungen zu Totholzkäferfauna in Naturwaldzellen Nordrhein-Westfalens 1989 bis 2011 – eine Zwischenbilanz zu Artenbestand, Veränderungen, Klimaerwärmung, in: Landesbetrieb Wald und Holz NRW (Hg.), 40 Jahre Naturwaldforschung in Nordrhein-Westfalen – Eine Zwischenbilanz, Münster 2013, S. 102 und 112))

Deshalb und nur deshalb haben sich die Staatsforsten 20 Jahre später dazu durchgerungen, das Naturwaldreservat Waldhaus um 90 ha zu erweitern. Es ging nicht darum, mehr Käferarten zu schützen, wie Mergner nahelegt. Mergner tut ja fast so, als sei die Erweiterung des Reservats ein Fehlschlag gewesen, so als habe man sich mehr davon versprochen:

“Die Vergrößerung auf 90  ha hat die Zahl xylobionter Käferarten gerade einmal um 25 Arten auf 314 ansteigen lassen. Rein rechnerisch hatte damit die Flächensteigerung um über 600 % nur eine bescheidene Artensteigerung von 9 % zur Folge.” ((Waldtrittsteine, S. 21, Hervorhebungen von mir))

Man gewinnt fast den Eindruck, Mergner bedauere die Vergrößerung des Reservats. Für ihn scheinen sich der hohe Aufwand und der geringe Ertrag nicht zu rechnen. Ausdrücklich beruft er sich auf das Ertragsgesetz:

“Das Gesetz des abnehmenden Grenzertrags gilt auch hier.” ((ebd.))

Das Ertragsgesetz kommt ursprünglich aus der Landwirtschaft. Sie ist das heimliche Vorbild derjenigen Förster, die ihren Wald wie einen Holzacker bewirtschaften, auf dem sie Fichten oder Buchen anpflanzen.

Nach oben
Zurück zur Einleitung
Nächste Seite: Wie steht es um den Schutz der Urwaldreliktarten in Bayern?