Meinungsmache nach dem Sturmwurf am Huzenbacher See

“Wo die Stämme und Äste liegen bleiben, reduziert sich der Verbiss drastisch: Rehe können sich dort kaum bewegen.”
Ulrich Kohnle ((zit. n. Daniel Lingenhöhl, Aus dem Chaos wächst ein Baum, in: Spektrum der Wissenschaften, 12.1.2012))

Meinungsmache mit dem Zeitungsartikel “Moorsee erholt sich wieder”

Gut ein Jahr später erscheint im Schwarzwälder Boten wieder ein Artikel über den Kahlschlag am Huzenbacher See: „Moorsee erholt sich wieder“. Laut Frau Michel war die Verfasserin Gabriele Mießler damals freie Journalistin. Sie habe vom Schwarzwälder Boten den Auftrag bekommen, diesen Artikel zu schreiben. Ich habe da meine Zweifel.

Ich hege den Verdacht, dass die Initiative zu dem Artikel von Förster Jörg Ziegler ausgegangen ist. Meiner Meinung nach hat er Frau Mießler genau so zu einem Pressetermin eingeladen, wie es die Anleitung für die Erstellung einer Pressemitteilung auf Seite 2 empfiehlt. Nur dass als Gast nicht “Minister Hubertus Waldschütz” angekündigt wurde sondern der Tourismusdirektor von Baiersbronn, Patrick Schreib.

Ich halte es für denkbar, dass nicht Mießler die ersten beiden Absätze formuliert hat sondern Schreib. Beweisen kann ich diese Vermutung nicht, weil Schreib am Telefon dazu die Aussage verweigert. ((Das Telefonat fand am 22. April 2016 statt.)) Der Tourismus hat ein Problem: Nach dem Kahlschlag sieht das Ufer des Huzenbacher Sees furchtbar aus – so furchtbar, dass die offizielle Webseite der Stadt Baiersbronn den Kahlschlag auch 4 Jahre danach immer noch totschweigt und die offiziellen Fotos immer noch den Anschein erwecken, als stünde der Wald dort noch. ((siehe Screenshot der Webseite “Der Huzenbacher Seeblick” vom 22. April 2016)) Schreib fürchtet womöglich, dass die Touristen wegbleiben. Denn Kahlschläge sind eine Scheiß-PR. ((Abwandlung des Zitats “Enthauptungen sind einen Scheiß-PR.” von Henryk M. Broder)) Und deswegen preist er den See an wie Sauerbier. Er sei “nach wie vor ein ganz besonderer Ort, […] einer der Sterne am Baiersbronner Wanderhimmel” und habe “nichts von seiner Magie verloren” und bietet “mit seinen Tausenden von gelben Teichrosen […] einen einmaligen Anblick”. Ja, selbst die vielen hundert Baumstümpfe haben einen ganz “besonderen Reiz”. Wie gesagt, es ist eine Vermutung: Vielleicht hat ja auch Gabriele Mießler selbst diesen Unsinn verzapft. Sie arbeitet mittlerweile in der Tourist-Information Klosterreichenbach. Schreib ist ihr Chef.

Stern am Baiersbronner Wanderhimmel

Vielleicht geht aber auch der gesamte Zeitungsartikel auf eine Pressemitteilung des Kreisforstamts Freudenstadt zurück. Auffällig ist, dass gleich mehrere der Themenvorschläge aus der Anleitung für die Erstellung einer Pressemitteilung aufgegriffen werden:

  • Das Betreten des Waldes ist wieder möglich.
  • Es wird um Verständnis geworben für Behinderungen durch die Herrichtung der Fahrwege.
  • Zielhorizonte für das Betreten von Wegen werden gegeben.
  • Der Stand der Aufarbeitung wird beschrieben.

Auch die beiden Schwerpunktthemen, nämlich die ökologische Bewertung der Sturmfolgen und die Ziele bei der Wiederbewaldung, zählen ausdrücklich zu den Themenvorschlägen, auf die Förster in Pressemitteilungen eingehen sollen.

Ein einmaliger Anblick ((Links im Hintergrund sieht man ganz klein die zwei Motorräder, die am 11. Oktober 2015 auf dem instand gesetzten Forstweg bis hinauf zum See fuhren. Siehe Motorradfahrer in der Kernzone des NLPs))

Damit nicht genug: Der Zeitungsartikel beherzigt auch Regeln, die unter der Überschrift “Allgemeines zum Inhalt” im Leitfaden für die Erstellung einer Pressemitteilung auf Seite 3 stehen:

  • Örtlicher und zeitlicher Bezug stehen im ersten Satz. Der örtliche Bezug steht auch in der Überschrift.
  • Es werden Personen ins Spiel gebracht. Zwar nicht “Friedel Schlau von der FVA”, aber “Jürgen Kläger von der ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Freudenstadt-Horb”.
  • Es werden Experten befragt: Ziegler als “Leiter der Außenstelle Baiersbronn des Kreisforstamts Freudenstadt” und Schreib als “Tourismusdirektor von Baiersbronn”.

Zu den sachlichen Fehlern, die Ziegler macht, habe ich schon Stellung bezogen: Kahlschlag am Huzenbacher See. Entscheidend an dieser Stelle ist, dass Ziegler allein durch die geschickte Wahl der Themen die öffentliche Meinung manipuliert. Der Leser erfährt folgende Dinge z. B. nicht:

  1. Der Huzenbacher See gehört zu einen Schonwald. ((siehe Kahlschlag im Schonwald))
  2. Spätestens seit 2011 war sehr wahrscheinlich, dass der See zum zukünftigen NLP gehören würde. ((siehe Nationalpark stößt vor Ort auf wenig Gegenliebe, Die Welt vom 25. September 2011, darin der Satz: “In der auf der Tagung vorgestellten Suchkulisse für einen Nationalpark …”))
  3. Man muss Windwürfe nicht aufräumen. Eine natürliche Wiederbewaldung ist auf belassenen Flächen nicht nur möglich, sie funktioniert dort sogar besser. ((siehe Daniel Lingenhöhl, Aus dem Chaos wächst ein Baum, in: Spektrum der Wissenschaften, 12.1.2012))
  4. Nicht geräumte Windwürfe sind selten und sie sind besonders artenreich und Rückzugsorte für viele bedrohte Tierarten. ((siehe Artenvielfalt auf belassenen Borkenkäferflächen))

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