Riesenkahlschlag am Rindelloch

“Der Wunsch bei allen Gruppierungen gut dazustehen, bei den Gegnern, bei den Kommunalpolitikern, bei Hegegemeinschaften, bei Verbänden und Vereinen verführt allzu leicht dazu, die Kernaufgaben einer Nationalparkverwaltung auf die lange Bank zu schieben, nämlich die Naturschutzziele eines Nationalparks so konsequent wie möglich umzusetzen.”
Hans Bibelriether  ((Hans Bibelriether, Natur Natur sein lassen in Nationalparken – Warum fällt das so schwer?, in: Nationalpark 1/2007, S. 8-13))

Schluss: Die Schuld der Förster

Förster wie Franz Leibl (Leiter der Nationalparkverwaltung) ((siehe Organisation der Nationalparkverwaltung)),  Karl Friedrich Sinner (ehemaliger Leiter der Nationalparkverwaltung), Karl Barthmann (ehemaliger stellvertretender Leiter der Nationalparkverwaltung), Franz Baierl (Leiter Sachgebiet IV “Wald- und Flächenmanagement””), Reinhold Weinberger (stellvertretender Leiter des Sachgebiets IV), Frank Steffens (ehemaliger Leiter der Nationalparkdienststelle  Bayerisch Eisenstein), Karl Heinz Englmaier (Leiter der Nationalparkdienststelle Bayerisch Eisenstein) und Ingo Brauer (Leiter der Nationalparkdienststelle Scheuereck) tragen alle eine schwere Mitschuld an den Riesenkahlschlägen.

Der ein oder andere Leser wird versucht sein, die Förster in Schutz zu nehmen und zu entschuldigen: Sie sind Beamte, die verpflichtet sind, ihrer Dienstherrin zu gehorchen und geltendes Recht umzusetzen. Die Nationalparkverordnung schreibt schließlich in § 14 (3) vor, den Borkenkäfer zu bekämpfen.

Darauf möchte ich sechs Dinge erwidern:

1.
Es gibt berühmte Beispiele, dass verbeamtete Förster dienstliche Anweisungen nicht befolgt haben: Anfang der 70er Jahre untersagte das Ministerium Nationalparkmitarbeitern, die Presse zu den 3.000 ha Schälschäden durch Hirsche im Nationalpark zu führen. Bibelriether und Sperber ließen Horst Stern seinen Film “Bemerkungen über den Rothirsch” im Nationalpark drehen. ((Bibelriether, a. a. O., S. 12, und Horst Stern – Zeugen des Jahrhunderts, ab 31:15)) Als neuer Leiter des Forstamts Ebrach ignorierte Sperber 1972 die Anweisung des Ministeriums, die Buchenwälder im Steigerwald abzutreiben und durch sterile Kunstforste aus Fichten- und Kiefernplantagen zu ersetzen. ((Georg Sperber, Frankens Naturerbe – Buchenwälder im Steigerwald, Bamberg 2008, S. 30 ff.)) 1986 arbeitete Bibelriether nur das Käferholz entlang der Straße auf, ließ es aber in abgelegenen Gebieten stehen. ((siehe Die erste Massenvermehrung des Borkenkäfers))
2.
Überall in Deutschland missachten unzählige Beamte täglich still und heimlich dienstliche Anweisungen und Gesetze. Überall wird aufgeschoben, verzögert, vergessen, vermasselt, gepfuscht, geschludert und geschlampt. Aber die Nationalparkförster beherrschen nicht die Kunst, bei der Arbeit möglichst wenig zu tun. ((vergleiche Corinne Maier, Die Entdeckung der Faulheit, München 2005)) Ganz im Gegenteil: Bienenfleissig und pflichtversessen bewältigen sie “unglaublich viel Arbeit” ((Karl Barthmann in einer Pressemitteilung vom 10.12.2010)) und bekennen trotzig: “Was wir tun, ist die Umsetzung geltenden Rechts!” ((Karl Barthmann in einer Pressemitteilung vom 16.12.2009)) Warum sabotiert Forstoberrat Baierl nicht mit List und Tücke die Borkenkäferbekämpfung? Droht ihm ein Disziplinarverfahren, wenn er den Käfer nicht “in den Griff kriegt”? Fürchtet er eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes, wenn die von ihm eingestellten “15-20 zusätzlichen Förster” nicht in der Lage wären, “die Nester des Forstschädlings zu entdecken”? ((Der Borkenkäfer ist Hauptthema, Stuttgarter Zeitung vom 26.10.2012)) Wären Ingo Brauer und Reinhold Weinberger nicht befördert worden ((Pressemitteilung vom 10.12.2010)), wenn sie bei der “sehr schwierigen Bohrmehlsuche” ((Franz Baierl in einer Pressemitteilung vom 16.12.2009)) nicht so emsig gewesen wären?
3.
Wenn klammheimliche Sabotage nichts nützt und der Dienstherr einem tatsächlich die Pistole auf die Brust setzt, kann man sich krank schreiben lassen. Oder man lässt sich versetzen. Oder geht in Vorruhestand. Wenn alle Stricke reißen, kann man kündigen. Peter Wohlleben schreibt über seine Zeit als verbeamteter Revierleiter bei den Landesforsten Rheinland-Pfalz:

“Ich handelte zweifellos im Rahmen der Dienstvorschriften und im Einklang mit den Anordnungen meiner Vorgesetzten, aber das konnte mein Gewissen nicht beruhigen. Hier musste sich etwas ändern.”  ((Peter Wohlleben, Der Wald – Ein Nachruf, München 2013, S. 30))

Er kündigt.
4.
Kein Nationalparkförster ist eine willenlose Marionette an den Fäden seiner Vorgesetzten. Was wäre eigentlich passiert, wenn die rund 200 Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung sich als “gemeinsames Team” ((Franz Leibl in einer Pressemitteilung vom 6.12.2012)) öffentlich geweigert hätten, die 70.000 Festmeter Schneebruchholz 2006 oder die 120.000 Festmeter Sturmholz 2007 aufzuarbeiten? ((Nationalparkverwaltung (Hg.), Waldentwicklung im Nationalpark Bayerischer Wald in den Jahren 2006 bis 2011 – Von Marco Heurich, Franz Baierl und Thorsten Zeppenfeld, Grafenau 2012, S. 18 f., Abb. 6 und 7)) Hätte Umweltminister Schnappauf dann alle widerspenstigen Beamten wegen eines kollektiven Dienstvergehens angeklagt, weil “sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen” ((§ 77 Bundesbeamtengesetz))? Hätten sie alle mit Disziplinarmaßnahmen rechnen müssen?
5.
Die Förster des Nationalparks sind nicht nur Beamte, sondern auch Bürger eines demokratischen Rechtsstaats. Als solche hätten sie die Möglichkeit, öffentlich gegen die Riesenkahlschläge zu protestieren und auf eine Änderung der Nationalparkverordnung zu drängen. Stattdessen scheint man geradezu stolz auf die “imposanten Zahlen der Borkenkäferbekämpfung” ((Karl Barthmann in einer Pressemitteilung vom 10.12.2010)) zu sein.
6.
Ich fürchte, dass alle Nationalparkförster ein ruhiges Gewissen haben. Sie haben keine schlaflosen Nächte. Sie leiden nicht an posttraumatischen Belastungsstörungen. Ob im Nationalpark Eifel, Harz, Jasmund oder Bayerischer Wald: Überall sind Kahlschläge ein ganz normales Mittel zur “Waldentwicklung”. In den “Entwicklungszonen” ist alles erlaubt: “in begründeten Einzelfällen auch Sprengungen”! ((Franz Baierl in einer Pressemitteilung vom 8.12.2011))

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