Der Urwaldsteig bei Bayerisch Eisenstein

Exkurs 1: Was tun mit dem Borkenkäferholz? Entfernen, entrinden oder schlitzen?

Ich frage mich, warum man nur einige, aber bei weitem nicht alle Stämme entrindet und liegen gelassen hat. Einige Laien werden vielleicht denken, die Entrindung sei besonders bodenschonend und schütze die sensible Naturverjüngung. Ich bin davon nicht wirklich überzeugt. Denn auch die Bringung des Holzes mit dem Seilzug kann sehr bodenschonend sein – v. a. wenn der Baum so am Trageseil befestigt ist, dass er komplett über dem Boden schwebt.1siehe z. B. Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, LWF-Merkblatt Nr. 13 – Holzernte in steilen Hanglagen, S. 5 und Abb. 18 Außerdem finden viele Schäden gleich zu Beginn des Fällens statt – nämlich dann, wenn die herunterkrachende Fichtenkrone die Verjüngung zerdeppert. Und auch die Vermutung, die steile, felsige Lage am Hochfels sei ein Grund, die Fichten liegen zu lassen und nur zu entrinden, stimmt nicht – siehe das oben genannte LWF-Merkblatt.

Die offizielle Erklärung der NLP-Verwaltung für das Entrinden lautet folgendermaßen:

“In den Rand- und Entwicklungszonen des Nationalparks [werden] mit Borkenkäfern befallene Windwürfe [..] aufgearbeitet oder an ökologisch besonders sensiblen Standorten komplett entrindet, um so eine weitere Ausbreitung des Käfers zu verhindern.”2NLP-Verwaltung Bayerischer Wald, Jahresbericht 2016, S. 10, Hervorhebungen von F.-J. A.

Auch “an entlegenen Stellen im Gebirge” wird entrindet. Das passt ein bisschen zum Hochfels. Und “ökologisch besonders sensibel” ist der Standort sowieso. Welcher Standort ist das eigentlich nicht? Aber noch etwas passt zum Hochfels: die Zahlen nämlich, wie viele Fichten entrindet werden. Es sind nur rd 10 %. In allen Jahresberichten steht ein Satz wie der folgende:

“Vom gesamten zwangsbedingten Holzeinschlag (Käferholz, Windwurfholz) von 28.900 fm wurden rund 3.600 fm (ca. 12 %) vor Ort entrindet und als Biomasse im Wald belassen.”3NLP-Verwaltung Bayerischer Wald, Jahresbericht 2015, S. 37, Hervorhebungen von F.-J. A.

Als Faustregel gilt: Nur jeder 10. Baum wird entrindet. 9 von 10 Bäumen werden komplett entfernt und landen im Säge- oder Heizkraftwerk. Von wegen: “als Biomasse im Wald belassen”!

Und es kommt noch schlimmer! Schon meine anfängliche Frage war falsch gestellt: Ich hätte nämlich nicht fragen sollen, warum nur so wenige Fichten entrindet wurden. Ich hätte fragen sollen, warum überhaupt keine geschlitzt wurden. Das Schlitzen ist eine neue Technik der Borkenkäferbekämpfung, die im Gegensatz zur Entrindung die Artenvielfalt im Totholz – Pilze, Käfer und Wespen – schützt. Denn:

“Bei der Komplettentrindung leidet die Biodiversität [..] massiv.”4NLP-Verwaltung Bayerischer Wald, Jahresbericht 2016, S. 10, Hervorhebungen von F.-J. A.

Bekannt und wissenschaftlich bewiesen ist das seit 2016.5siehe auch Thorn, S. & Müller, J.(2016): Rindenschlitzen bei Fichte bekämpft Buchdrucker, aber erhält Biodiversität. – ANLiegen Natur 38(1): 97–98, Laufen, www.anl.bayern.de/publikationen Seit 2018 haben die Bayerischen Staatsforsten das Schlitzen sogar offiziell in eine Richtlinie aufgenommen. 6siehe Staatsforsten nehmen Schlitzen in Richtlinie auf, in: NLP-Verwaltung Bayerischer Wald, Jahresbericht 2017, S. 31 Nur am Hochfels – da wurde es nicht gemacht.

Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass es für das Schlitzen schon zu spät war; es wirkt nämlich nur in den ersten vier Wochen des Borkenkäferbefalls. Es verhindert nur die Entwicklung der Larven, wirkt also gegen das sog. “weiße Stadium” des Buchdruckers, d. h. Eier, Larven und Puppen. Bis zu 90 % werden getötet. Jungkäfer aber, die bis zur vollständigen Geschlechtsreife noch 2-3 Wochen in der Rinde verbleiben und diese fressen, werden durch das Schlitzen nicht mehr effektiv dezimiert. Dann muss der Baum “komplett nackt”7Zitat Martin Plechinger gemacht, d. h. vollständig entrindet werden. 8siehe Dagmar Nierhaus-Wunderwald, Beat Forster: Biologie der Buchdruckerarten, 2004 und persönliche Mitteilung von Herrn Martin Plechinger, Kommissarischer Leiter Nationalparkdienststelle Bayerisch Eisenstein

Der Hochfels liegt im Randbereich des NLPs und dort wird der Borkenkäfer bekämpft. Im Randbereich wird er immer bekämpft werden.

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