WWF zur Borkenkäferbekämpfung 1999

Einleitung

Im Februar 1999 schließt sich der WWF den Protesten des BUND und BN gegen die Borkenkäferbekämpfung an. ((siehe BUND zur Borkenkäferbekämpfung 1998)) Ministerpräsident Stoiber antwortet darauf und beruft sich auf den Vertreter des WWF im internationalen Expertengremium, das der Borkenkäferbekämpfung angeblich zugestimmt habe. Das ist nachweislich falsch, wie ein Brief eben dieses Experten beweist.

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Antwort des Ministerpräsidenten Stoiber

Am 22. März 1999 antwortet Ministerpräsident Stoiber dem Präsidenten des WWF-Deutschland Carl-Albrecht von Treuenfels: ((Alte Rechtschreibung im Original nicht korrigiert. Die Originaldokumente wurden mir freundlicherweise von Dr. Hans Bibelriether zur Verfügung gestellt.))

Sehr geehrter Herr Präsident,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 03. Februar 1999, in dem Sie die aktuelle Situation im Nationalpark Bayerischer Wald ansprechen.

Der Nationalpark Bayerischer Wald hat seit seiner Gründung vor mehr als 28 Jahren eine positive Entwicklung genommen. Die Bayerische Staatsregierung ist stolz auf diesen „echten” Nationalpark, in dem sich die Natur vom Menschen unbeeinflußt entwickeln kann und der zur bedeutendsten Besucherattraktion der gesamten Region geworden ist. Die 1997 beschlossene Vergrößerung des Parks um rd. 10.000 ha unterstreicht seine landesweite Bedeutung.

Im dicht besiedelten Mitteleuropa können jedoch auch wichtige Naturschutzprojekte nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen in den lokalen Kontext eingebunden sein. Die Sorgen und Ängste der örtlichen Bevölkerung müssen ernst genommen werden. Naturschutz und insbesondere ein Wildnisprojekt wie der Nationalpark Bayerischer Wald funktioniert nur mit den Menschen und nicht gegen sie. Dabei stehe ich zu meiner klaren Entscheidung, den Borkenkäfer im Kerngebiet des „alten” Nationalparks nicht zu bekämpfen, sondern der Natur weiter ihren natürlichen Lauf zu lassen. Wo Nationalpark drauf steht, muß auch Nationalpark drin sein.

Genau so selbstverständlich ist für mich jedoch, daß die angrenzenden Privatwälder vor einem Übergreifen der Borkenkäferkalamität aus dem Gebiet des Nationalparks geschützt werden müssen. Der ökologische Schaden einer durch Borkenkäferbefall abgestorbenen Baumgeneration mag bei langfristiger Betrachtung gering sein, weil neuer Wald entstehen wird. Der ökonomische Schaden ist dagegen beträchtlich, wenn das durch mehrere Generationen von Waldbesitzern in Form von Holzvorräten aufgebaute Vermögen innerhalb von wenigen Monaten entwertet wird. Durch unsere Entscheidung für einen „echten” Nationalpark haben wir Verantwortung für das Eigentum der angrenzenden Waldbesitzer übernommen und wir werden diese auch in Zukunft wahrnehmen. Die Bekämpfung des Borkenkäfers im Randbereich des Nationalparks ist also keine „forstliche Maßnahme” und auch keine „wirtschaftsbestimmte Nutzung” im herkömmlichen Sinne, sondern notwendige Schadensverhinderung.

Die befallenen Bäume müssen so schnell wie möglich gefällt und entrindet werden, wenn die Maßnahme den gewünschten Erfolg haben soll. Eine Entrindung von Hand, bei der die Baumstämme auf der Fläche verbleiben können. wäre sicherlich die schonendste Methode. Leider ist sie bei den aktuellen Befallsmengen logistisch nicht mehr darstellbar. Außerdem werden dabei nicht alle Stadien des Borkenkäfers zuverlässig genug abgetötet. Es bleibt bei der aktuellen Massenvermehrung nichts anderes übrig, als die Bäume aus dem Bestand an den Waldweg zu transportieren, wo sie maschinell entrindet und abgefahren werden können.

Die Nationalparkverwaltung ist jedoch stets bemüht, den Waldboden und den verbleibenden Bestand so weit wie möglich zu schonen. Auf Feucht- und Naßstandorten wurde beispielsweise ein Spezialhubschrauber zur Holzbringung eingesetzt, um Bodenschäden zu vermeiden.

Nachdem das Holz aber für eine möglichst effektive Borkenkäferbekämpfung bereits an die Waldwege gerückt worden war, ergab sich zum Verkauf keine ernsthafte Alternative.

Mit Recht weisen Sie darauf hin, daß insbesondere bei Enklavengrundstücken Chancen für einvernehmliche Lösungen gesucht werden sollten mit dem Ziel, die Schutzzone so kleinflächig wie möglich zu halten. Die Nationalparkverwaltung verhandelt mit etlichen Waldbesitzern und bietet Möglichkeiten wie z.B. einen Grundstückstausch an. Im Vordergrund steht dabei das Prinzip der Freiwilligkeit. Kein Waldbesitzer kann und soll gezwungen werden, auf den Schutz seines Waldes vor Borkenkäferbefall aus dem Nationalpark zu verzichten.

Die Idee und das Konzept des Nationalparks läßt sich langfristig nur bei weitgehender Akzeptanz der örtlichen Bevölkerung erfolgreich umsetzen. Das ist im Herzen des dicht besiedelten Mitteleuropas eine ganz andere Herausforderung, als z. B. im vergleichsweise menschenleeren Nordamerika. Nur wenn die Menschen vor Ort wissen, daß der Nationalpark nicht auf ihre Kosten und ohne Rücksicht auf Verluste realisiert wird, hat der Nationalpark Bayerischer Wald eine Zukunft.

Wie Sie wissen, wird die Borkenkäferproblematik auch unter Wissenschaftlern durchaus kontrovers diskutiert. Mir war es deshalb wichtig, die Strategie der Nationalparkverwaltung für einen wirksamen Schutz der angrenzenden Privatwälder von unabhängigen Wissenschaftlern und Naturschutzfachleuten beurteilen zu lassen. Das hierzu einberufene internationale Expertengremium, dem auch Vertreter des WWF und des IUCN angehörten, kam letztendlich zu dem Ergebnis, daß es zur aktiven Bekämpfung des Borkenkäfers im Randbereich des Nationalparks keine Alternative gibt. Außerdem wurde von seiten des Naturschutzes akzeptiert, daß eine Borkenkäferbekämpfung, die sich auf den Randbereich beschränkt, mit den IUCN-Bestimmungen durchaus vereinbar ist.

Der weit überwiegende Teil des Nationalparks wird nach wie vor trotz der massiven Borkenkäferschäden nicht angetastet, hier geht die Naturentwicklung unbeeinflußt vom Menschen ihren freien Lauf. Dies wird in Zukunft so bleiben und nach dem Abklingen der Borkenkäferkalamität auch wieder im Randbereich des Nationalparks gelten.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Edmund Stoiber

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