Zum Tode von Horst Stern

Die politische Erfolglosigkeit von Horst Stern

“Leitbild einer ganzen Generation”, “herausragender Lehrmeister”, “brillanter Autor”, “Symbolfigur”: Ulli Pfau verbreitet Jubelmeldungen über Stern. Aber selbst er muss zugeben:

“Gegen diese Hybris […] hat Horst Stern ein Leben lang angeschrieben. Um am Ende dann zu resignieren.”
“[Er] scheitert an der Ignoranz und Arroganz einer [..] Elite aus Wirtschaft und Politik.”
“Niemand kann verstehen, dass er […] so einfach aufgibt.”
Enttäuscht, [..] den Kürzeren gezogen zu haben und resignierend über seine Wirkungslosigkeit auf der politischen Bühne […].”
“Nur was er tatsächlich erreicht habe mit seinem Engagement, will er gelten lassen. Und viel sei das ja nicht gerade, sagt er mit Bitternis.” ((alle Zitate aus dem Vorwort des Horst-Stern-Lesebuchs, Hervorhebungen von F.-J. A.))

Auch Zeit Online spricht von Resignation:

“In einem Interview Mitte der Neunzigerjahre äußerte er sich resigniert: Er habe seine hochgesteckten Ziele nicht erreicht. ‘Nichts hat sich geändert. Die Legebatterien sind nicht kleiner geworden, die Kälber stehen noch in der Dunkelbox, die Tierquälerei hat sogar zugenommen.'” ((TV-Journalist Horst Stern gestorben, Zeit Online vom 21.1.2019))

1979 zieht Stern sich komplett aus dem Fernsehgeschäft zurück: enttäuscht von der mangelnden Wirkung seiner Berichterstattung”. ((Anmoderation von Britta Sandberg zu Bemerkungen über einen sterbenden Wald)) Sein “Weggefährte” Ludwig Fischer sagt über ihn:

“Er ist verbittert, weil er seinen lebenslangen Einsatz für die natürliche Mitwelt als vergeblich betrachtet. […] Er fühlt sich vergessen in unserer schnelllebigen Zeit.” ((Bambi muss sterben, Spiegel vom 24.10.2017))

Nach der Jahrtausendwende bricht er “im Lauf der Jahre bei nachlassender Gesundheit auch den Kontakt zu Weggefährten wie Fischer ab”. ((ebd.)) Das hört sich dann schon nicht mehr nach Resignation an, sondern nach einer klinischen Depression.

Eine trübselige Stimmung lastet auch auf dem Interview, das Horst Stern am 5. August 1998 dem Journalisten Thomas Hocke gibt. ((ZDF-Sendung “Zeugen des Jahrhunderts”))  Die freudlose Düsternis überträgt sich sogar auf den Zuschauer und macht richtig schlechte Laune: Hocke ist ganz in schwarz gekleidet, so als nähme er an einer Beerdigung teil. Im ganzen Raum nur matte Farben und trübes Licht. Kein Strauß frischer Blumen. Stern selbst trägt ein dunkles braunes Hemd, ist nachlässig frisiert und versinkt fast in dem riesigen Sessel. Lachen ist verboten. Viele Zuschauer werden das vielleicht als selbstverständlich hinnehmen: Aber wie anders hätte das Interview gewirkt, wenn es beispielsweise bei Sonnenschein in einem Garten gedreht worden wäre und Stern ein helles Hemd mit farbenfroher Krawatte getragen hätte! Und wenn er wenigstens ab und zu freundlich gelächelt hätte! Aber es gibt nichts zu lachen und die niederdrückende Atmosphäre passt haargenau zu dem, was Stern sagt:

“[I]n der Sache sind diese [meine] Wirkungen – ich habe das schon öfter gesagt – eher bescheiden geblieben. Ich sehe das vor allen Dingen daran, dass heute – mehr als 25 Jahre nach meiner Fernsehzeit – junge Kollegen mit der gleichen Thematik, die ich damals versuchte ins Bild zu setzen, heute wieder auf den Schirm kommen. Und nicht nur das! Sie drehen z. T. an den gleichen Orten, an denen ich damals drehte, was mir natürlich beweist, dass ich im Grunde nichts verändert hat. Und wenn ich mir diese Bilder angucke, dann sehe ich, dass es eher noch schlimmer geworden ist. Also insofern sind die Wirkungen … ich möchte sagen … ich habe eigentlich immer nur in den Köpfen und Herzen der Ohnmächtigen etwas bewirkt, in den Köpfen der Mächtigen so gut wie gar nichts.” ((Horst Stern, Natur in die Köpfe, ab Min 1:45))

Thomas Hocke widerspricht nicht.

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