Zeitschrift “natur”: Hammer des Monats

Es gibt “einzelne Nationalparkleiter, denen ihr eigenes Image wichtiger war als die bestmögliche Umsetzung der Naturschutzziele in ihren Schutzgebieten.”
Hans Bibelriether und Hans Dieter Knapp ((Kleine Zeitschrift mit großer Wirkung, in: Nationalpark 4/2014, S. 17))

 

Die Reaktion von Karl Friedrich Sinner

Einen Monat nach Erscheinen des “Hammers des Monats” fand in St. Oswald eine Fachtagung statt zum Thema “Schön wild sollte es sein … Wertschätzung und ökonomische Bedeutung von Wildnis”. ((Die Tagung dauert vom 16.-18. November 1998. Ausrichter sind die Evangelische Akademie Tutzing und die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege.)) Sinner referierte über das Thema “Aktuelle Konflikte im Nationalpark Bayerischer Wald als Beispiel für unseren gesellschaftlichen Umgang mit Wildnis” und nahm Stellung zur Kritik der Zeitschrift natur. ((Sie können den vollständigen Artikel hier downloaden: Aktuelle Konflikte im Nationalpark Bayerischer Wald als Beispiel für unseren gesellschaftlichen Umgang mit Wildnis))

Kahlschlag im Vorderen Wildscheuereck (A) ((Die Buchstaben markieren Orte im Erweiterungsteil des Nationalparks Bayerischer Wald. Sie finden sie in der Karte auf der nächsten Seite eingezeichnet.))

Seine Reaktion war typisch – und zwar nicht nur für die Leiter von Nationalparks, sondern auch für die Leiter von Forstämtern. Bundesweit reagieren Förster nach diesem Muster, wenn Naturschützer sie kritisieren:

  1. Die Parkleitung ist überrascht
  2. Die Kritik kommt von außen
  3. Es sind nur einzelne Personen, die kritisieren
  4. Kritik von Naturschützern gefährden den Naturschutz
  5. Wir halten uns an das Gesetz
  6. Der Zweck heiligt die Mittel

 

Kahlschlag nördlich des Scheuereck (B)

 

1. Die Parkleitung ist überrascht

Wenn Nationalparkleiter von Umweltschützern kritisiert werden, sind sie grundsätzlich erst einmal “überrascht”, wenn nicht sogar “sehr überrascht”. ((Karl-Friedrich Sinner, Aktuelle Konflikte im Nationalpark Bayerischer Wald als Beispiel für unseren gesellschaftlichen Umgang mit Wildnis, in: Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (Hg.), Schön wild sollte es sein … Wertschätzung und ökonomische Bedeutung von Wildnis, Laufener Seminarbeitrag 2/99, , Laufen/Salzach 1999, S. 13)) Denn immer läuft alles ganz prima. Alles ist in bester Ordnung. Alle sind zufrieden. Die Kritik kommt immer aus heiterem Himmel. Und sie ist grundsätzlich “nicht nachvollziehbar”. ((ebd.))

Kahlschlag am Großen Filzbach (C)
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2. Die Kritik kommt von außen

Sinner ist deswegen so überrascht, weil er sich sehr viel auf “eine neue Akzeptanz des Nationalparks in der Region” ((ebd.)) einbildet. Diese Akzeptanz hat nämlich in Sinners Augen sehr gelitten durch das Werk seines Vorgängers Hans Bibelriether. ((siehe dazu Das Fichtensterben am Lusen)) Zu dessen Zeit gab es keine “sachliche Kommunikation” ((Sinner, S. 12)) zwischen Parkverwaltung und Bevölkerung. Das “Klima” war “sehr belastet”. Es gab “schwere emotionale Eruptionen und Konflikte”. Die “Glaubwürdigkeit der Parkverwaltung” war dahin wegen der “Totholzflächen”. ((ebd.))

Gott-sei-Dank kam dann ein Kommunikationsgenie wie Sinner:

“Die Parkverwaltung hat gelernt, dass es notwendig ist, die Menschen dieser Nationalparkregion mit ihren Sorgen und Ängsten ernst zu nehmen und sie anzunehmen in ihrer emotionalen Betroffenheit”. ((ebd.))

Man denkt, da salbadert ein Pfaffe. Aber so spricht Karl Friedrich Sinner, ein Leitender Forstdirektor der Bayerischen Staatsforsten, auf einer Fachtagung. Der meint das wirklich so:

“Nur durch Ernstnehmen und Annehmen ist es möglich, in beiderseitigem Interesse erneut miteinander zu reden und den Versuch zu unternehmen, gemeinsam zu lernen mit dieser, viele Menschen so erschreckenden, natürlichen Walddynamik umzugehen, sie verstehen und akzeptieren zu lernen.” ((ebd.))

Wer so “vertieft kommuniziert”, hat natürlich die regionalen Medien auf seiner Seite: Diese berichten “zunehmend objektiv und sachlich”. Da kann die Kritik natürlich nur von außen kommen:

“Nach meiner Interpretation war … die Verteilung des ‘Hammers des Monats’ … ein Ergebnis des Besuchs auswärtiger Medien.” ((a. a. O., S. 13, Hervorhebung von F.-J. A.))

Und die haben bekanntermaßen keine Ahnung vom Nationalpark.

Kahlschlag am Großen Gfällbach (D)
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3. Es sind nur einzelne Personen, die kritisieren

Bei seiner Recherche zur Vorgeschichte des Zeitschriftenartikels deckt Sinner eine Verschwörung einer einzelnen Person auf: Frau Pongratz ist es, die hinter der ganzen Hetzkampagne gegen ihn steht. ((Frau Pongratz ist heute Chefredakteurin der Zeitschrift Nationalpark. Zu 40-jährigen Jubiläum der Zeitschrift gratulierten eine Vielzahl namhafter Naturschützer. Sinner gehörte nicht dazu.)) Sie allein ist schuld:

“Frau Pongratz als Person (lieferte) den Medienvertretern die Basisinformationen zur Borkenkäferbekämpfung.” ((Sinner, S. 13))

Gäbe es Frau Pongratz nicht, wäre im Nationalpark alles zum Besten bestellt. Nur wegen dieser Nestbeschmutzerin wird der Nationalpark nun bundesweit in den Dreck gezogen. Sinner ist es wichtig zu betonen, dass “nicht der Verein der Freunde des Ersten Deutschen Nationalparks Bayerischer Wald e. V.” der Verräter ist. Dazu hat er ein “klärendes Gespräch mit dem Vorsitzenden des Vereins” geführt. Sinner versucht vor den Tagungsteilnehmern den Anschein zu erwecken, als stünde der Vorsitzende des Vereins nicht hinter Frau Pongratz. Zu diesem Zweck verschweigt er den Namen des Vorsitzenden: Es ist Hans Bibelriether, der ehemalige Leiter des Nationalparks. Dieser aber ist mit Frau Pongratz befreundet und zählt selbst zu den schärfsten Kritikern von Sinner. Vor diesem Hintergrund bekommt der Ausdruck “klärendes Gespräch” eine ganz andere Bedeutung: Chefs führen mit Untergebenen “klärende” Gespräche, wenn diese nicht nach ihrer Pfeife tanzen.

Kahlschlag im March (E)
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4. Kritik von Naturschützern gefährden den Naturschutz

Wenn es um Nationalparke geht, gilt für Naturschützer: Maul halten! Denn Kritik schadet der “Idee der Nationalparke”. Diese steht nämlich laut Sinner “bundesweit auf dem Prüfstand”. ((ebd.)) Und in dieser existenzbedrohenden Situation haben diese Naturschützer die Frechheit, so einen Terz um 120 ha Kahlschläge zu machen!

Der damalige Leiter des Sachgebiets Forschung und Dokumentation im Nationalpark, Heinrich Rall, ist mit seinem neuen Chef Sinner völlig einer Meinung: “Hier haben Naturschutz-Eiferer unüberlegt dem Naturschutz einen Bärendienst erwiesen.” ((Heinrich Rall, Zur Akzeptanz von Totalreservaten in der Öffentlichkeit, Grafenau 1998))

An dieser Situation hat sich im Jahr 2014 nichts geändert. Sowohl Frau Dr. Kristin Beck, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, als auch Hans Jehl, Fachgebiet Naturschutzbiologie und Botanik, warnten mich im Herbst 2014 davor, den Nationalpark wegen der riesigen Kahlschläge zu kritisieren. Kritik sei Wasser auf die Mühlen der Nationalparkgegner.

Kahlschlag im March (F)
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5. Wir halten uns an das Gesetz

Wenn Förster kritisiert werden, verweisen sie stets auf das Gesetz. Förster sind die geborenen Gesetzeshüter. ((siehe die Karikatur in Wie die Axt im Walde)) Auch Sinner handelt nicht etwa nach eigenem Ermessen. Das sei ferne! Es sind “die internationalen Richtlinien”, die ihm die Hände binden. Und es ist “die bei dem Besuch des Ministerpräsidenten übertragene Aufgabe”, die er “konsequent erfüllt”. ((Sinner, S. 13)) Ein Wunder, dass er auf der Tagung nicht die §§ 13 und 14 der Nationalparkverordnung zitiert, mit denen er in Zukunft alle Kritiker der Kahlschläge zum Schweigen bringen wird.

Kahlschlag im Osten des Rindelschachten (G)
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6. Der Zweck heiligt die Mittel

Sinner kritisiert an den Naturschützer, dass sie nicht bereit sind, für 10.000 ha “unberührte Natur” 120 ha zu opfern:

“In einer Zeit, in der die Nationalparkidee bundesweit auf dem Prüfstand steht, werden rd. 120 ha (rd. 0,8 % des Altnationalparks) Borkenkäferkahlfläche … als ein zu hoher Preis für 10.000 ha unberührte Natur gesehen.” ((ebd.))

Mit “Borkenkäferkahlfläche” meint Sinner die Flächen, die in der Borkenkäferschutzzone rund um den Park kahlgeschlagen wurden. Für Sinner ist das kein “zu hoher Preis”. Den muss man eben zahlen “zum Schutz des Privatwaldes”. Schließlich erkauft man sich damit “10.000 ha unberührte Natur”.

Die Kritik an ihm stellt für den Leitenden Forstdirektor “einen nur schwer nachvollziehbaren Vorgang dar.” Kein Wunder! “Es ist schwierig, jemanden dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn er sein Gehalt dafür bekommt, dass er es nicht versteht.” (Upton Sinclair)

Dabei ist es eigentlich ganz leicht zu verstehen: Lässt man sich nämlich auf Sinners Aufrechnung ein, gibt es für die Kahlschläge keine Grenze mehr. Warum nicht 250 ha kahlschlagen? 500 ha? 1.000 ha? Es ist doch für einen guten Zweck! Der bekanntlich die Mittel heiligt. Unter Sinners Leitung werden die Kahlschläge nach offiziellen Zahlen bis 2011 auf insgesamt 1.718 ha ((siehe Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald (Hg.), Waldentwicklung im Nationalpark Bayerischer Wald in den Jahren 2006 bis 2011 – Von Marco Heurich, Franz Baierl und Thorsten Zeppenfeld, Grafenau 2012, Abbildung 2, S. 12-14)) anwachsen. Allein die Kahlschläge in der Borkenkäferschutzzone des Altparks werden von 120 auf 673 ha ansteigen. ((a. a. O., S. 12)) Für Sinner ist das eben der Preis, den man zahlen muss.

Kahlschlag im Süden des Rindelschachten (H)

 

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