Sinner

Dramatisierung der Krise

Liest man die Rede von Eberhard Sinner genau, kommen Zweifel am Ausmaß der Krise: Wie viele “Bürgerentscheide” ((Protokoll, S. 6120, linke Spalte, 1. Absatz)) gegen die Erweiterung stattgefunden und wie viele Bürger daran teilgenommen haben, lässt er geflissentlich unter den Tisch fallen. Selbst Sinner gibt zu, dass die Bürgerentscheide nur “teilweise” gegen die Erweiterung ausfielen. Auf der Homepage der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes e. V. kann man erfahren, dass es nur in zwei Gemeinden Bürgerentscheide gegeben hat: in Frauenau und in Lindberg. ((siehe Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes e. V. – Fall 1)) Über die absolute Anzahl der Stimmen schweigt sich die Bürgerbewegung wohlweislich aus.

  • An der Abstimmung in Frauenau beteiligten sich nur 46 %. Und nur von dieser Minderheit der Wahlbeteiligten sprachen sich im April 1996 70 % gegen die Erweiterung des NLPs aus. 54 % der Wahlberechtigten gingen nicht zur Wahl. ((Für Naturschützer wird ein Traum wahr, SZ vom 24. Mai 1996))
  • Beim Bürgerentscheid in Lindberg am 9. Juni 1996 entschieden sich zwar 84 % gegen die Erweiterung. Die auf den ersten Blick überwältigende Ablehnung relativiert sich, wenn man erfährt, dass erstens überhaupt nur 1.900 Personen abstimmungsberechtigt waren und zweitens von diesen 1900 fast die Hälfte, nämlich 900 Personen der Abstimmung fernblieben. ((Mit größerem Nationalpark nichts am Hut, SZ vom 11. Juni 1996))

Der Kreistag Regen hat sich sogar für die Erweiterung ausgesprochen. Sinner nörgelt an der “sehr knappen Mehrheit” nur deswegen herum, weil sie ihm nicht in den Kram passt. Er vergisst zu erwähnen, dass auch die Ablehnung der NLP-Erweiterung zwei Jahre zuvor nur mit denkbar knapper Mehrheit erfolgte: Mit nur einer Stimme Mehrheit stimmte der Regener Kreistag am 18. September 1995 gegen die geplante Erweiterung. Von den 61 Abgeordneten stimmten 30 dafür. Gegner und Befürworter stehen sich “quer durch die Fraktionen” gegenüber. ((Der Nationalpark soll nicht wachsen, SZ vom 22. September 1995))

Sinner handelt wie eine Drama-Queen: Er dramatisiert.

“Viele, die an der Exkursion auf den Lusen teilgenommen haben, waren erstaunt über die Entwicklung, teilweise schockiert.” ((Protokoll, S. 6120, linke Spalte, 3. Absatz, Hervorhebungen von mir))

Nimmt man Sinner beim Wort, so waren “viele” zunächst einmal nichts anderes als “erstaunt”. Die Gruppe der “wenigen” lässt Sinner einfach weg. Sie waren vermutlich nicht einmal erstaunt, sondern ganz entspannt. Von der Gruppe der “vielen” war ein Teil “schockiert”. Nur diese Teilgruppe aber kann Sinner für seine Rede gebrauchen. Im folgenden tut er so, als seien alle Abgeordneten schockiert gewesen.

Den Trick mit der Dramatisierung wendet Sinner ein zweites Mal an, als er nach dem Zitat von Schwappach behauptet:

“Einen ähnlichen Anblick hatten die beiden Ausschüsse auch.” ((Protokoll, S. 6120, linke Spalte, 5. Absatz))

Das wollen wir nicht hoffen. Denn dann hätten die Ausschussmitglieder unter Halluzinationen gelitten: Weder gibt es am Lusen “kahle, abgeholzte Bergrücken”, noch stieg dort “allenthalben […] Rauch auf, durch Feuer veranlasst, in welchem man die geschälte Rinde verbrennt”. Der Lusen gehört zur Kernzone: Es wird dort weder abgeholzt, noch geschält, noch verbrannt.

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