Bonde betreibt Geschichtsklitterung

Am 2. Oktober 2015 besuchte Alexander Bonde den Steigerwald. Bonde ist Mitglied der Grünen und Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg. In dieser Funktion war er verantwortlich für die Einrichtung des NLPs Schwarzwald am 1. Januar 2014.

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Glaubt man Bonde, dann war die Einrichtung des NLPs eine beispiellose Erfolgsgeschichte: Ängste von Anwohnern wurden ernst genommen, Skeptiker überzeugt und Mehrheiten gewonnen. Ich behaupte, Bonde betreibt Schönfärberei und Geschichtsklitterung. In Wirklichkeit war alles ganz anders. Bonde präsentierte im Steigerwald eine sehr spezielle Version der Entstehungsgeschichte des NLPs Schwarzwald:

“Dass Nationalpark geht und das gerade, wenn man die Ängste, Befürchtungen, Sorgen und Vorbehalte der Menschen ernst nimmt, das hat der Nordschwarzwald als erster Nationalpark Baden-Württembergs gezeigt. […] Ein mustergültiges Beteiligungsverfahren bildete die Basis, um die nötige Transparenz zu schaffen, die Leute mitzunehmen und nicht zuletzt Skeptiker zu überzeugen. […] So gelang es nach eineinhalbjähriger heftiger Diskussion eine tragfähige Mehrheit in der Region für das Ansinnen zu gewinnen.” (( Norbert Vollmann, Wo die Motorsäge Pause hat, in: Mainpost vom 12. Oktober 2015))

In Wirklichkeit hat sich im Schwarzwald eine ganz andere Geschichte zugetragen. Diese Geschichte verschweigt der Minister:

  • Die Gemeinde Baiersbronn, die direkt am NLP liegt, war bis zuletzt gegen den Park. Bei der Bürgerbefragung am 12. Mai 2013 stimmte eine überwältigende Mehrheit von 78 % gegen den NLP. Die Wahlbeteiligung lag bei 68 %. ((Frank Krause, Bürgerbefragung: Nationalpark, nein danke!, in: Schwarzwälder Bote vom 13. Mai 2013)) Bonde kapitulierte: Ursprünglich sollten 7.866 ha des Nationalparks auf dem Gebiet der Gemeinde liegen. Am Ende waren es nur 6.500 ha. Wegen des großen Protests verlegte Bonde die Grenzen des NLPs in die Höhe: Erst ab 800 m beginnt der NLP. ((siehe Renate Allgöwer, Der Nationalpark nimmt Gestalt an, in: Stuttgarter Zeitung vom 4. Juni 2013)) Das hatte erklärtermaßen das Ziel, dass der NLP von den Ortschaften aus gar nicht mehr zu sehen ist. Originalton Ministerpräsident Kretschmann: “Wenn die Leute nicht wollen, müssen sie nicht hingehen, und bleiben vom Anblick verschont.” ((ebd.))
  • Am 12. Mai 2013 stimmten neben Baiersbronn 6 weitere Gemeinden gegen den NLP: Forbach (82 % dagegen), Bad Herrenalb (63,7 % dagegen), Bad Wildbad (75 % dagegen), Enzklösterle (75,5 % dagegen), Seewald (86 % dagegen) und Freudenstadt (68 % dagegen). ((Frank Krause, Bürgerbefragung: Nationalpark – nein, danke!, in: Schwarzwälder Bote vom 13. Mai 2013)) Die Bürgerbefragungen fanden statt, nachdem die Landesregierung über ein Jahr lang auf Informationsveranstaltungen für den NLP geworben hatte: “Vor allem Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (Grüne) wurde zur Zielscheibe der Kritik, wurde beschimpft, bedroht, beleidigt.” ((ebd.)) Bonde knickte ein und verzichtete auf das 6.000 ha große Kaltenbronner Gebiet.
  • Bonde meint, dass der NLP “großräumig” und “unzerschnitten” sei. Ein Blick auf die Karte genügt, um zu beweisen, dass der NLP genau das nicht ist: Er zerfällt in einen kleinen Teil mit rund 2.500 ha im Norden und einen 7.500 ha großen Teil im Süden. Dazwischen klafft eine drei Kilometer breite Lücke. ((siehe Raimund Weible und dpa, Kaltenbronn bleibt draußen, in: Südwest Presse vom 5. Juni 2013))
  • Eine stark befahrene Bundesstraße, die Schwarzwaldhochstraße, führt mitten durch den südlichen Teil des NLPs. Im nördlichen Teil bildet sie praktisch dessen Westgrenze. Die Schwarzwaldhochstraße wird nicht nur im Minutentakt von LKWs befahren, sie ist auch eine beliebte Rennstrecke für Motorradfahrer. Der Lärm der Motoren ist unerträglich und kilometerweit im NLP zu hören. Am Wochenende sind Ausflugsziele wie Schliffkopf, Ruhestein, Mummelsee, Hornisgrinde und Mehliskopf völlig überlaufen. Wären tatsächlich “naturschutzfachliche Gründe” ausschlaggebend für die Wahl des NLP-Gebiets gewesen, hätte der NLP dort nie und nimmer eingerichtet werden dürfen.
  • Es sind nicht nur die Proteste der Anwohner, die den Anblick von Totholz nicht ertragen, weswegen der NLP in Höhen oberhalb von 800 m verlegt wurde: “Diese hochgelegenen Waldflächen sind für die Holzwirtschaft nicht so interessant wie die Flächen in tieferen Lagen.” ((ebd.)) Die Fichte wächst dort oben nicht so gut. Forst BW kann auf diese 3 % der Staatswaldfläche ((siehe Der Nationalpark nimmt Gestalt an)) gut und gerne verzichten. Noch dazu, weil große Gebiete rund um den Hohen Ochsenkopf und den Ruhestein ohnehin seit Jahrzehnten Bannwälder und aus der Nutzung genommen sind. Andere Gebiete des NLPs wurden von Orkan Lothar 1999 umgeworfen und danach vollständig abgeräumt. Auf den riesigen Kahlschlägen wachsen nun 15 Jahre alte Fichten, die erst in 45 Jahren erntereif wären. Das Opfer der Holzwirtschaft hält sich in ganz engen Grenzen.