Kahlschläge am Heimbach

Kritik an Röhrigs “Waldbau”-Standardwerk

Ich habe meine Kritik in fünf Absätze untergliedert:

  1. Zynische Gewinnoptimierung
  2. Waldbau als Ackerbau
  3. Verwechslung von absoluter mit natürlicher Biodiversität
  4. Missachtung der Öffentlichkeit
  5. Förster als Naturbanausen

Zynische Gewinnoptimierung

Wenn Sie wissen wollen, warum das Nationalparkforstamt so viele Kahlhiebe durchführt – bei Röhrig erfahren Sie es: “Nutzungstechnisch bietet das Verfahren gegenüber anderen Methoden bedeutende Vorteile:

  • Es liefert größere Mengen von Holz auf relativ begrenzter Fläche.
  • Holzernte und -bringung sind auf Kahlflächen technisch einfacher und billiger als bei anderen Verjüngungsformen.
  • Fällungs- und Rückeschäden bleiben ohne Belang.
  • Es gibt für die Flächen selbst keine Sturmgefahren, wie sie bei Schirm- oder Femelschlägen zu befürchten sind.

Unter dem Gesichtspunkt der Erntetechnik gibt es daher kein zweckmäßigeres Verfahren.” (S. 356, Hervorhebungen im Original)

Man reibt sich verwundert die Augen: Und so etwas steht in einem Lehrbuch über Waldbau auf ökologischer Grundlage! “Bedeutende Vorteile … kein zweckmäßigeres Verfahren” – dabei sind die aufgezählten Vorteile völlig banal: Wenn ein Förster alle Fichten mit einem Harvester abräumt, erntet er selbstverständlich größere Holzmengen, als wenn er nur einen Teil mit Waldarbeitern fällt. Wenn keine Bäume mehr da sind, kann es auch keine Fällungs- und Rückeschäden an ihnen geben. Und wo keine Bäume mehr stehen, kann der Sturm auch keine umwerfen. Eine solche Betrachtungsweise ist zynisch und gilt zudem nur, wenn man kurzfristig Gewinne optimieren will. Im Original sind die falschen Worte fett gedruckt: Die vier angeblichen Vorteile gelten einzig und allein “unter dem Gesichtspunkt der Erntetechnik“.

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Waldbau als Ackerbau

Röhrig führt noch weitere angebliche Vorteile von Kahlschlägen an:

“Kahlschläge erleichtern dort, wo es ökologisch (sic!) notwendig ist, die Bodenbearbeitung und eine gleichmäßige, in tiefere Bodenschichten eindringende Zufuhr von Kalk und anderen Stoffen. So läßt sich auch eine maschinelle Pflanzung, besonders nach Bestandesumwandlungen und bei Erstaufforstungen, erleichtern.” (S. 356)

Blockzahngrubber, Hochleger, Streifen-, Schar- und Scheibenpflüge, Fräsen, Scheibeneggen, Löffelbagger und Pflanzmaschinen – Röhrig beschreibt von S. 82 bis 89 alle Maschinen, die der moderne Waldbauer für seinen Holzacker benötigt. Nicht, dass das Nationalparkforstamt vorhätte, den Boden der Kahlschläge maschinell zu bearbeiten. Aber man erkennt die Idee, die hinter dieser Form der Forstwirtschaft steckt: Waldbau ist Ackerbau.

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Verwechslung von absoluter mit natürlicher Biodiversität

Vollends ärgerlich wird es, wenn Forstökologe Röhrig über “Artendiversität” schwadroniert:

“Ein Kahlhieb verändert die Biotopbedingungen für die meisten Lebewesen. Arten, die einem Waldinnenklima angepasst sind, erfahren eine Reduktion an Zahl und Vitalität, weitere verschwinden gänzlich aus den freien Flächen und bleiben nur in den Nachbarbeständen präsent. Dafür siedeln sich andere Arten an, die sich zuvor nur an Bestandes- oder Waldrändern halten konnten oder als ruhende Samen lange im Boden gelagert haben. Dabei handelt es sich teilweise um Pflanzen mit auffälligen, von Insekten bestäubten Blüten (z. B. Digitalis, Epilobium, Senecio). Auf vielen Standorten … ist die Artendiversität in keinem anderen Entwicklungsstadium der Bestände so hoch wie in den ersten Jahren nach einem Kahlschlag. Das gilt … auch für viele Gruppen von Tieren.”

Wenn Förster Ihnen beim nächsten Mal die frohe Botschaft von der Biodiversität auf Kahlschlägen verkünden, schimpfen Sie nicht auf die Förster: Sie wissen es nicht besser. Sie haben es im Studium so gelernt. Dabei muss man nur genau lesen: Waldtypische Arten nehmen ab oder sterben aus. Walduntypische Arten nehmen zu. Statt Buschwindröschen Fingerhut, statt Mittelspecht Kohlmeise. Röhrig kennt schlicht den Unterschied zwischen natürlicher und absoluter Biodiversität nicht: Unter natürlicher Biodiversität im Wald versteht man diejenige Artenvielfalt, die dort herrscht ohne forstliche Nutzung. Mit absoluter Biodiversität ist diejenige Artenvielfalt gemeint, die sich mit forstlicher Nutzung einstellt. Es ist allgemein akzeptiert, dass bei forstlicher Nutzung die absolute Artenvielfalt auf Kosten der natürlichen zunimmt (siehe die Abbildung auf S. 24 im Geschäftsbericht der Niedersächsischen Landesforsten 2006). Absolute Biodiversität ist gerade kein Indikator für Naturnähe: Die von Röhrig genannten Pflanzen Roter Fingerhut, Schmalblättriges Weidenröschen, Wald- und Fuchssches-Greiskraut sind typische Schlagflur-Pflanzen (vergleiche: Michael Hohla, Kahlschlagpflanzen). Sie erhöhen die absolute Biodiversität. In einem naturnahen Buchenwald z. B. kommen sie nur auf kleinen Windwurfflächen in der Zerfallsphase vor.

Im übrigen ist es geradezu grotesk, dass ausgerechnet diejenigen Förster, die der Eifel die artenarmen Fichtenplantagen beschert haben, die Artenvielfalt als Argument entdecken, wenn sie Kahlhiebe durchführen. Außerhalb des Nationalparks denkt Forstamtsleiter Dengel vom Regionalforstamt Hocheifel gar nicht daran, seine Fichtenäcker in Laubwälder umzubauen: Bei “Spitzenpreisen” von 100 € und mehr für den Festmeter Fichtenholz bleibt die Fichte “der Brotbaum der Eifel” (siehe: Die Fichte bringt gutes Geld, Kölner Stadt-Anzeiger vom 30.1.2014).

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Missachtung der Öffentlichkeit

“Frische Kahlschläge mit reichlichem Schlagabraum und noch ohne Begleitvegetation bieten einen unschönen Anblick. Aus solchen Beobachtungen stammt sicherlich die in der Öffentlichkeit weit verbreitete Abneigung gegen Kahlschläge, deren Bilder in den Medien im Allgemeinen aus Großkahlschlägen in den Tropen oder in einigen pazifischen Nadelwaldregionen aufgenommen worden sind. In Mitteleuropa sind sie kaum mehr irgendwo zu sehen.” (S. 357, Hervorhebungen im Original)

Seit der Einrichtung des Nationalparks Eifel 2004 müssen die Fotografen nicht mehr so weit reisen. Großkahlschläge über 5 ha gibt es hier reichlich. Zwischen den Zeilen wird bei Röhrig die Missachtung der Öffentlichkeit erkennbar: Die sensationsgeilen Medien sollen sich nicht so aufregen. Wenn Besenginster, Fingerhut und Greiskraut blühen, sieht alles nicht mehr so schlimm aus.

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Förster als Naturbanausen

“Andererseits können Kahlflächen … oft eine Belebung des Landschaftsbildes durch die sich bietenden freien Ausblicke und ihre besondere Flora bilden.” (S. 357)

Kein Kommentar.

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