Kahlschläge am Bergerbach

3. Waldentwicklung auf Kahlschlägen

Diese Seite ist gegliedert in folgenden Abschnitte:

 

Einleitung

Selbst  Naturschützer und Waldliebhaber kritisieren an Kahlschlägen häufig nur, dass die Bäume mit Harvestern geerntet werden und nicht mit Rückepferden. Diese Kritik greift zu kurz. Denn Kahlschläge stellen eine massive Störung des hochempfindlichen und komplexen Ökosystems Wald mit schwerwiegenden Folgen dar. Dies macht ein ausgezeichneter Artikel von Hans Jehl deutlich mit dem Titel “Die Waldentwicklung auf Windwurfflächen im Nationalpark Bayerischer Wald”. Der Artikel befindet sich auf den Seiten 112 – 145 im Jubiläumsband “Nationalpark Bayerischer Wald: 25 Jahre auf dem Weg zum Naturwald“, der 1995 von der Nationalparkverwaltung herausgegeben wurde.  Jehl interessieren die Unterschiede zwischen geräumten und nicht geräumten Flächen. Auf geräumten Flächen werden sämtliche umgeworfenen Bäume “akribisch” (S. 114) entfernt, sodass ein Kahlschlag entsteht. Fotos von geräumten und nicht geräumten Windwürfen im Nationalpark Bayerischer Wald finden Sie im Heft “Waldentwicklung im Nationalpark Bayerischer Wald in den Jahren 2006 bis 2011” auf den Seiten 14 und 15.

 

Entwicklung auf geräumten Windwürfen

Die von Jehl beschriebene Entwicklung auf geräumten Windwürfen ist der von Kahlschlägen sehr ähnlich: Auf geräumten Windwurfflächen herrscht “extremes Freilandklima“: “Während an Sommertagen die Luft über dem Windwurf vor Hitze flimmert, kommt es in klaren Nächten zu einer deutlichen Abkühlung.” Der Wind “wird nicht mehr gebremst” (S. 124). Durch die Wärme wird der Humus beschleunigt abgebaut und große Nährstoffmengen werden freigesetzt. Davon profitieren die nährstoff- und lichtliebenden Schlagflurarten wie z. B. Him- und Brombeere, Schmalblättriges Weidenröschen, Stachel-Segge, Fuchsgreiskraut, Fingerhut oder Ginster (siehe Tabelle S. 129). Es findet ein “markanter floristischer Wandel” (S. 136) statt:Das Artenspektrum verschiebt sich deutlich: weg von den typischen Waldkräutern hin zu den Schlagflurpflanzen.

Wo der Waldboden durch die schweren Erntemaschinen verwundet und verdichtet worden ist, kann das Wasser nicht mehr ablaufen. Dort wachsen Vernässungs- und Verdichtungsanzeiger: Flatterbinse, Igel- und Grau-Segge, die nassen und feuchten Boden lieben. Dass Bäume fehlen, die große Mengen Wasser verdunsten, trägt zusätzlich zur Versumpfung des Boden bei (S. 134). Gebüsche wie Trauben- und Schwarzer Holunder und Weiden lieben das extreme Klima und den kurzfristigen Nährstoffreichtum der Kahlschläge und bilden Vorwaldgebüsche (siehe Tabelle S. 129). Die Schlagflurvegetation wächst so üppig, so dicht und so hoch, dass sie die natürliche Verjüngung durch Bäume behindert: Nur langsam gewinnen Moor- und Sandbirken, Weiden und Espen den Konkurrenzkampf und bilden einen Vorwald (auch Pionierwald genannt). Erst in diesen Vorwald können dann Bäume des Schlusswalds einwandern: In Bayern sind das Fichte, Tanne und Buche. In der Eifel wäre es die Buche, sodass ein Übergangswald entsteht (S. 144). Die Schlusswaldarten verdrängen die Vorwaldarten und es entsteht der Schlusswald.

Aufarbeiten des Windwurfs

Schlagflur

Vorwald

Übergangswald

Schlusswald

nach: S. 144

Entwicklung auf nicht geräumten Windwürfen

Würde man einfach abwarten, käme es auch am Bergerbach über kurz oder lang zu Windwürfen. Infolge der Klimaerwärmung hat die Fichte in der Eifel keine Chance. Der aus dem kühlen und feuchten Nordeuropa stammenden Fichte ist es hier schlicht zu warm und zu trocken.

Jehl hat untersucht, was auf nicht geräumten Windwürfen geschieht. Dort entsteht aus “aufgeklappten Wurzeltellern, abgeknickten oder umgeworfenen Stämmen und ineinander verkeilten Kronen ein außerordentlich vielfältiges Mosaik unterschiedlichster Kleinstandorte: Stark besonnte Bereiche wechseln mit völlig beschatteten, dem Wind ausgesetzte Stellen mit vollkommen windgeschützten” (S. 124). Dort entwickelt sich der Wald völlig anders: Typische Schlagflurpflanzen wie Weidenröschen finden sich nur “punktuell und kleinflächig” (S. 142) dort, “wo durch die aufgeklappten Wurzelteller der Mineralboden freigelegt wurde” (S. 136). Ansonsten dominieren weiterhin die typischen Waldpflanzen die Krautschicht. Auf der belassenen Fläche entwickelt sich nicht erst ein Vorwald, sondern sofort ein Schlusswald mit Fichten, Buchen und Tannen. Bereits vor dem Sturmwurf ist auf dem Waldboden eine zahlreiche und gemischte Naturverjüngung aus Fichten, Buchen und Tannen vorhanden: bis zu “764 Bäumchen unterschiedlichen Alters und Größe” (S. 138) pro 100 m2. Diese überleben den Sturmwurf und sind wenige Jahre nach dem Sturm schon einen Meter hoch.

Eine zentrale Rolle bildet die Vogelbeere: Sie harrt “in ihrer Jugend überraschend lange im Schatten” des geschlossenen Kronendachs aus und wartet auf einen Windwurf, um dann im Licht zügig heranzuwachsen. Bis zu 5 m hohe Vogelbeeren bilden nach nur wenigen Jahren einen Schutzschirm, unter dem die jungen “Fichten, Buchen und Tannen hervorragend gedeihen” (S. 140).  Ein “bedeutender Teil” (S. 141) dieser schon vor dem Sturm reichlich vorhandenen Naturverjüngung aus Fichten, Tannen, Buchen und Vogelbeeren wird durch die Aufarbeitung und Rückung der Bäume nach einem Windwurf zerstört.

Liegenlassen des Windwurfs

Jugendschlusswald

Schlusswald

nach: S. 144

 

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