Kritische Analyse der Stellungnahme der GFA

Einleitung

Ich hätte es ahnen können … Bereits in seiner ersten Mail vom 19. April 2013 versuchte Herrn Kuske von der GFA zu beschwichtigen: “Grundsätzlich sehen die aktuellen Holzeinschlagsmaßnahmen unterzogenen Bestände häufig “verwüstet” aus, was sich nach Abschluss der Maßnahmen oft schnell relativiert.”

Brennnessel_01NSG Hülsenhaine “nach Abschluss der Maßnahmen”

Die nun vorliegende schriftliche Stellungnahme bestätigt, dass der FSC mit seinen 10 Prinzipien die Verbraucher täuscht und Etikettenschwindel betreibt.

Diese Seite gliedert sich in folgende Abschnitte:

Stellungnahme von Gerhard Kuske

Gerhard Kuske ist der Leiter der Forstzertifizierung bei der GFA. Er hat Ende Juni – das Datum 26. Juni 2013 auf dem Briefkopf kann nicht stimmen – zu meinen Beschwerden Stellung genommen. Sie können den Text seiner Stellungnahme hier als PDF-Datei herunterladen.

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Beweismaterial

Ich habe Dutzende hochauflösende Fotos mit Bodengleisen und Fällungsschäden veröffentlicht. Ich habe Videos gedreht und Baumstümpfe mit GPS kartiert. Die Auditoren der GFA überzeugt das alles nicht. Fotos und Videos sind quasi als Beweismittel nicht zulässig. Zweifelsfreie Gewißheit kann nur ein “Vorort-Audit” liefern. Die Auditoren der GFA verhalten sich genauso wie die Förster von Grün-und-Gruga. Auch diese werden Sie bei Beschwerden immer zu einem “Lokaltermin” bitten. Schriftliche Stellungnahmen lehnen sie kategorisch ab: “Ihre 12 teilweise grundsätzlichen Fragen in der erwarteten Tiefe schriftlich zu beantworten, übersteigt unsere personelle Ausstattung.” (Bösken, Mail vom 15. April 2013)

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Fahrspuren

Der FSC schreibt “das schonende Befahren der Rückegassen” vor (Prinzip 6.5.5 des Deutschen FSC-Standards). Diese Regel ist nutzlos und gaukelt umweltverträgliche und nachhaltige Bewirtschaftung nur vor, wenn im Ernstfall gilt: “Das Entstehen von Fahrspuren läßt sich nicht vollumfänglich vermeiden. Die gesehenen Fahrspuren stellen keinen Verstoß gegen FSC-Standards dar.”

Kettwig_060

Wie tief müssen Fahrspuren eigentlich sein, wenn eine Tiefe von 40 cm offensichtlich nicht ausreicht, damit ein Verstoß gegen FSC-Standards vorliegt?

Die GFA übernimmt damit fast wortwörtlich die Rechtfertigung, die Förster Wuttke im Telefongespräch am 12. April 2013 benutzte: Die Bodengleise seien eine “unglückliche Begleiterscheinung”, die aber “vorkommen können”.

§ 223 (1) des Strafgesetzbuches lautet: “Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Stellen Sie sich einmal vor, ein Ehemann, der seine Frau grün und blau geprügelt hat, würde sich so vor Gericht verteidigen: “Das Verprügeln meiner Frau ließ sich nicht vollumfänglich vermeiden. Die gesehenen blauen Flecke stellen keinen Verstoß gegen das Strafgesetzbuch dar.”

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Biotopbäume

Prinzip 6.3 des FSC-Standards lautet: “Die  ökologischen  Funktionen  und  Werte  des
Waldes werden erhalten, verbessert oder wie­derhergestellt”.  Eine bedeutsame Rolle dabei spielen die Biotopbäume (z. B. für Spechte, Käfer und Pilze, Regel 6.3.13) Ich hatte mich darüber beschwert, dass in Essen-Kettwig keine Biotopbäume kenntlich gemacht sind. Auch die GFA verweigert die Auskunft: “Der Stand der Umsetzung des betrieblichen Konzepts zu Biotopbäumen ist Gegenstand fortlaufender Prüfung durch die Auditoren.” Und dann wird einfach behauptet: “Es liegt kein Verstoß gegen den FSC-Standard vor.” Dabei wird in keinem der letzten 4 Auditberichte (2009, 2010, 2011 und 2012) das Biotopbaumkonzept auch nur mit einem Wort erwähnt.

Meine Frage wird nicht beantwortet: Wo sind die 50 Biotopbäume im 5 ha großen Kettwiger Wäldchen? Und was bedeutet: “Die Anzahl von 10 Biotopbäumen ist ein langfristig anzustrebender Wert.”? Gibt es die Biotopbäume etwa noch gar nicht? Werden sie erst in ferner Zukunft bestimmt? Grün-und-Gruga sind seit dem 15. Mai 2006 FSC-zertifiziert. Haben 7 Jahre etwa nicht ausgereicht, um in dem alten Kettwiger Buchenwald die Biotopbäume zu bestimmen? Die Förster von Grün-und-Gruga wuseln ständig durch die Essener Wälder und markieren Z-Bäume und Bedränger und Rückegassen mit ihren Farbspraydosen. Warum können nicht auch Biotopbäume farblich markiert werden? Und warum kann Grün-und-Gruga sein Biotopbaumkonzept nicht für alle Essener Bürger auf der Homepage veröffentlichen? Wo Grün-und-Gruga so stolz ist auf seine “vorbildliche Bürgerbeteiligung” (NaBu-Kommunalwaldbroschüre, S. 18)?

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Freiflächen

Der FSC verbietet in Regel 6.3.12 zwar Kahlschläge, erlaubt aber die “gruppenweise Nutzung”, wenn der Durchmesser der entstehenden Freifläche nicht größer als eine Baumlänge ist. Diese Regel soll – folgt man der Forstwirtschaft – irgendwie “naturnah” sein: Denn schließlich würden auch in naturnahen Wäldern Bäume durch Stürme umgeworfen und dies würde dann auch große Freiflächen schaffen – besonders dann, wenn nicht nur einer, sondern gleich mehrere Bäume umgeworfen werden.

Hochwald_04
Windwurffläche im Üdemer Hochwald

Forstwirtschaft und FSC verschweigen dabei folgendes:

  • Windwürfe in alten Buchenwäldern sind seltene Ereignisse. Die Orkane Vivien, Wiebke und Kyrill, die in Fichtenplantagen so verheerende Verwüstungen angerichtet haben, konnten Buchenwäldern nur wenig anhaben.
  • In naturnahen Wäldern werden Buchen in der Alters- und Zerfallsphase umgeworfen. Sie sind dann älter als 200 Jahre.
  • In naturnahen Wäldern bleibt der umgeworfene Baum im Wald liegen und sein  Totholz bietet einen Lebensraum für unzählige Pilze, Käfer usw.

Für die Förster von Grün-und-Gruga ist die Baumlängen-Regel des FSC ein Freibrief zum großflächigen Abholzen. Beschönigend spricht man von “Femelhieben”. Die Wirklichkeit sieht dann so aus:

Teelbruch_05
“Waldpflegemaßnahme” im Teelbruch

Solange der Durchmesser der freigeschlagenen Fläche nicht größer als 40 m ist (= Länge einer ausgewachsenen Buche), ist jede Abholzung erlaubt. Ein Kreis mit einem Durchmesser  von 40 m hat eine Fläche von 202 x π = 1.257 m2, das entspricht 0,13 ha. In einen Hektar (100 x 100 m) passen 4 solcher Kreisflächen hinein, das sind 5.027 m2:

Hektar
Freiflächen (rot) nach der Baumlängen-Regel

Die Förster mussen nur darauf achten, dass zwischen den abgeholzten Freiflächen immer ein paar Buchen stehenbleiben. Dann ist das kein Kahlschlag.

Die Baumlängen-Regel ist der Kniefall des FSC vor der Holzwirtschaft und den Förstern. Diese sitzen zusammen in der Wirtschafts-Kammer des FSC. Auf deren Mitgliederliste finden sich u. a. der Deutsche Forstunternehmer-Verband, der Landesbetrieb Wald und Holz NRW, die Landesforsten Rheinland-Pfalz und der Landesforstbetrieb Baden-Württemberg. Diese Wirtschaftskammer kann von der Umwelt- und Sozialkammer nicht überstimmt werden und jeden Beschluss der beiden anderen Kammern lahmlegen.

Wirklich anspruchsvolle Regeln für die naturnahe Waldbewirtschaftung, wie sie das Bundesamt für Naturschutz für die Forstwirtschaft in Natura-2000-Gebieten vorschlägt, sind gegen die Wirtschaftskammer des FSC nicht durchsetzbar. Eine wichtige Regel des BfN lautet “Der Bestockungsgrad des Oberstandes soll nicht unter 0,7 absinken, die Absenkung durch forstliche Nutzung soll nicht um mehr als 0,1 pro Jahrzehnt erfolgen.” und wurde u. a. von Susanne Winter und Martin Flade ausgearbeitet (siehe z. B. Flade, Möller, Schumacher, Winter: Naturschutzstandards für die Bewirtschaftung von Buchenwäldern im Nordostdeutschen Tiefland, Der Dauerwald, Februar 2004). Die Förster von Grün-und-Gruga wären überhaupt nicht in der Lage, eine solche Regel zu befolgen. Das haben sie schlichtweg auf der Universität nicht gelernt.

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Rückegassen

Die direkt neben einem Bach geplante Rückegasse im Wolfsbachtal ist Kuske keine Erwähnung wert. Wieso auch? Die vorprogrammierten tiefen Bodengleise im weichen Uferboden werden sich “nicht vollumfänglich vermeiden” lassen. Da spielt es auch keine Rolle, dass das Tal zu den gesetzlich geschützten Biotopen gehört (GB-4607-0023 und GB-4607-0021). Die Regel 6.5.4 “Ein Gassenabstand von unter 20 m ist ausgeschlossen.” setzt Kuske außer Kraft, denn einzelne Rückegassen dürfen sehr wohl “mit geringerem Abstand” angelegt werden.

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Z-Bäume

Das Z-Baum-Konzept habe ich am Beispiel der geplanten Durchforstung im  Wolfsbachtal erläutert. Würde durch das geplante Fällen vermeintlicher “Bedränger” der Bestockungsgrad auf 50% reduziert, so bedeutete dies, dass jeder 2. Baum gefällt würde. In ähnlicher Weise wurde bereits das nur 0,4 ha große Wäldchen im Süden des Halloparks durchforstet: 112 “Bedränger” wurden gefällt und mitten hindurch wurde eine Rückegasse neu angelegt. Dies ist laut Kuske FSC-konform. Denn: Auch wenn der Abstand zwischen den Z-Bäumen 10 m betragen sollte, ist das kein Kahlschlag und folglich erlaubt. Auf 1 ha würden dann nur noch 100 Bäume wachsen: Ergebnis wäre ein extrem holzarmer Wald mit extrem wenig Holzwachstum. Wird ein Z-Baum krank oder durch einen Sturm geschädigt, ist kein Ersatz für ihn da, denn im Umkreis von 10 m wächst ja nichts mehr. Durch die geplante Entnahme der vielen “Bedränger” werden dem Waldboden Nährstoffe entzogen und durch die Anlage der vielen Rückegassen werden der Boden und die Wurzeln der benachbarten Bäume geschädigt. Ganz zu schweigen von möglichen Fällungs- und Rückeschäden an den Z-Bäumen. Alles das interessiert den FSC offensichtlich nicht: Hauptsache, die “Lücken im Kronendach werden in kürzester Zeit geschlossen”. Das Ergebnis wird dann ungefähr so aussehen:

Durchforstung
Durchforstung durch Wald und Holz NRW im NSG Obereimer bei Arnsberg

Selbstverständlich sind solche “Durchforstungen” von Wald und Holz NRW FSC-konform. Der FSC-zertifizierte Landesbetrieb sitzt praktischerweise in der Wirtschaftskammer des FSC.

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Referenzflächen

Die bürokratische Kaltschnäuzigkeit, mit der Kuske auf meinen Wunsch nach Schutz des urwaldähnlichen alten Buchenwalds im Hesperbachtal antwortet, macht fassungslos. Den FSC interessiert es ganz einfach nicht, welche Wälder zur Referenzfläche gemacht und damit unter Schutz gestellt werden. Hauptsache, die 5%-Klausel (Regel 6.4.1 des FSC-Standards) ist erfüllt. Es spielt keine Rolle, dass laut Bundeswaldinventur nur 0,9% der Wälder in Deutschland Buchenwälder sind, die älter als 160 Jahre sind. Und dazu zählen auch noch “Wälder, in denen bereits zwei Drittel der Altbuchen der Säge zum Opfer gefallen sind” (Peter Wohlleben, Wald ohne Hüter, S. 89). Die Regel 6.4, wonach “repräsentative Beispiele vorhandener Ökosysteme … entsprechend … der Einmaligkeit der betroffenen Naturgüter in ihrem natürlichen Zustand zu erhalten” sind, verhindert nicht, dass alte Buchenwälder vorsätzlich zerstört werden. Ein Moratorium zum Schutz der alten Buchenwälder, wie Greenpeace es für öffentliche Wälder fordert, ist mit dem FSC nicht zu machen und würde sofort am Veto der Wirtschaftskammer im FSC scheitern.

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Transparenz

“Das Audit war in keinster Weise geheim, sondern lediglich unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt.” Kein Kommentar. Auch nicht zur Grammatik.

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Zusammenfassung

Der FSC gibt sich nach außen das Image, auf Beschwerden von Stakeholdern einzugehen. In Hochglanzbroschüren werden sie ermutigt, sich aktiv zu beteiligen und ihre Beschwerden vorzutragen. Doch nimmt man sein Recht tatsächlich wahr, werden diese Beschwerden eine nach der anderen abgeschmettert. Dabei scheut die GFA nicht zurück vor hanebüchenen Argumenten (“Bodengleise lassen sich nicht vermeiden”, “Audit war nicht geheim”). Einige Regeln werden willkürlich zurechtgebogen (“Rückegassenabstände auch unter 20 m”). Andere Regeln (“keine Möglichkeit, gegen den Willen des Forstbetriebs ihre Beteiligung zu entscheiden”) werden strikt und ohne Protest befolgt. Lücken im bestehenden Regelwerk werden aggressiv genutzt (“Entscheidung über Referenzflächen beim Forstbetrieb”). Verstöße gegen Prinzipien werden einfach geleugnet (“Biotopbaumkonzept liegt vor”). Und bestimmte Regeln, die sich auf den ersten Blick prima anhören (“nur einzelstamm- oder gruppenweise Nutzung, kein Kahlschlag”) entpuppen sich bei genauer Prüfung als Freibrief zum Kettensägenmassaker. Die Argumentation folgt immer Schema F:

  1. Beschwerdetext und Bildmaterial belegen keine “zweifelsfreien Verstöße”
  2. Zitat der in Betracht kommenden Regel
  3. Verstoß “liegt nicht … zwingend vor”.

Gerhard Kuske macht gar keinen Hehl daraus, dass er mit vorgefertigten Textbausteinen (“Wiederholung einzelner Abschnitte”) arbeitet. Für das Beschwerdemanagement der GFA braucht man eigentlich nur einen Praktikanten, der mit Word-Vorlagen und den Befehlen “Kopieren” und “Einfügen” umgehehen kann.

Ich hege den schlimmen Verdacht, dass ich in meiner Beschwerde auch noch viel drastischere Zahlen hätte wählen können. Ich fürchte, auch die Reduktion des Bestockungsgrads um 60% oder ein Abstand von 15 m zum nächsten Baum wären “noch im Einklang” mit den FSC-Prinzipien gewesen.

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Auf der folgenden Webseite analysiere ich den offiziellen Bericht über das außerplanmäßige Audit am 13. Juni 2013 bei Grün-und-Gruga.