12 Strategien der PR-Arbeit im Nationalpark

Nachspiel: Antwort von Umweltminister Huber auf Kritik von Umweltschützern im Jahr 2012

Am 27. Februar 2012 schreiben Laszlo Maráz von der AG Wälder des Forums Umwelt und Entwicklung und Volker Oppermann von Greenpeace München einen Offenen Brief ((Sie können eine Kopie des Originals hier herunterladen: Offener Brief an Umweltminister Huber)) an Umweltminister Dr. Marcel Huber. ((Am 14. Oktober 2003 wechselte der Nationalpark von der Zuständigkeit des Forst- in die des Umweltministeriums. Sinner spricht in diesem Zusammenhang von einer “über 33 Jahre dauernden Erfolgsgeschichte in der Obhut der Bayerischen Staatsforstverwaltung”. 2003 wurden 55.572 Fm Holz eingeschlagen. Davon wurden nur 4.800 Fm im Wald belassen. Der Rest wurde verkauft. Zum ersten Mal wurde ein 42 Tonnen schwerer Baggerharvester vom Typ “Königstiger” eingesetzt. Siehe Jahresbericht 2003, S. 5, 6, 7, 8)) Sie fordern einen Stopp der Kahlschläge im Nationalpark. Den Brief unterzeichnen nicht weniger als 11 prominente Umweltschützer:

  1. Martin Kaiser, Greenpeace e.V.
  2. Hermann Edelmann, Pro REGENWALD e.V.
  3. Rudolf Fenner, ROBIN WOOD e.V.
  4. Sylvia Hamberger, Gesellschaft für ökologische Forschung e.V.
  5. Wolfgang Kuhlmann, Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e. V.
  6. Stefan Adler, NABU Bundesverband e.V.
  7. Johannes Enssle, NABU Baden-Württemberg e.V.
  8. Norbert Panek, Agenda zum Schutz deutscher Buchenwälder
  9. Jens Schlüter, Arbeitskreis Nationalpark
  10. Stephen Wehner, Bergwaldprojekt e.V.
  11. Dr. Rainer Putz, Regenwald Institut e.V.

 

Sehr geehrter Herr Staatsminister Dr. Marcel Huber,
wir fordern Sie auf, sich persönlich für einen Stopp der Kahlschläge im Nationalpark und für eine schnelle Erweiterung der Prozessschutzzone auf 75 Prozent der Nationalparkfläche einzusetzen. Dies ist ein weiterer wichtiger Teilschritt zur Erhöhung der Waldflächen mit natürlicher Waldentwicklung, die nach der Nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS) dringend gefordert sind – oder wie es auf der Website des Nationalparks heißt: Zur „Grenzenlosen Waldwildnis im ersten deutschen Nationalpark”. Für den Nationalpark Bayerischen Wald fordern wir eine dringende Anpassung der Nationalparkverordnung, die folgendes beinhaltet:

  • Einstellung der Kahlschläge im Nationalpark Bayerischer Wald
  • Die Fichtenhochlagen des Nationalpark-Erweiterungsgebietes sollten bis Ende 2012 in die Naturzone übernommen werden.
  • Eine nur schrittweise Überführung der Entwicklungszone in die Naturzone von ca. 310 ha pro Jahr ist definitiv zu wenig! Die Überführung von Einzelflächen erhöht nur den Bekämpfungsdruck durch Schaffung temporärer Randbereiche um die Naturzonen.
  • Borkenkäferbekämpfung ist nur in der Randzone zum angrenzenden Privatwald durchzuführen.
  • Auf den eingeschlagenen Flächen der Randzone sollen die Stämme – wo nötig nach Entrindung – als Biomasse in der Fläche belassen werden statt sie zu entnehmen und zu verkaufen.

Begründung

Der Nationalpark Bayerischer Wald ist der älteste Nationalpark Deutschlands und genießt auch weltweit eine hohe Bekanntheit und Beachtung. Für die Region ist der Nationalpark eine große Bereicherung. Die Erkenntnisse, die durch den Prozessschutz, den Schutz der natürlichen Dynamik, und insbesondere durch die Nicht-Bekämpfung des Buchdruckers und in der Folge des Absterbens der Bergfichtenwälder gewonnen wurden, genießen internationale Anerkennung. In den Hochlageninventuren wurde nachgewiesen, dass sich der Wald nach dem Absterben ganzer Bestände wieder großflächig und artenreich verjüngt. Studien zeigen, dass die absterbenden Bäume und der hohe Anteil an Totholz von zentraler Bedeutung für die Biodiversität von Wäldern und für die natürlichen Verjüngungsprozesse sind und zum Erhalt der Bodenvitalität beitragen. Gerade selten gewordene und bedrohte Tier- und Pflanzenarten sowie Waldpilzarten profitieren von diesen Sukzessionsflächen. Als Beispiel für Gewinner der Buchdruckerkalamität mögen hier Vögel wie Auerhuhn, Dreizehenspecht und Rauhfußkauz dienen. Vor der Nationalpark-Erweiterung um das Falkenstein-Rachel-Gebiet im Jahre 1997 erfüllte der Nationalpark Bayerischer Wald das wichtigste Kriterium der IUCN: 75 Prozent der Fläche standen unter Prozessschutz. Die Erweiterung reduzierte die Prozessschutzflächen auf nur noch 43 – Prozent. Denn große Flächen des Falkenstein-Rachel-Gebietes wurden als sogenannte Entwicklungszone mit Borkenkäferbekämpfung ausgewiesen.

In der Nationalparkverordnung 2007 legte man fest, dass jährlich 310 ha der bisherigen Entwicklungszone in die Naturzone – mit strengem Prozessschutz – überführt werden sollen: Damit will man. bis zum Jahr 2027 das Ziel von 75 Prozent Prozessschutz für den gesamten Nationalpark erreichen. Ende 2011 waren 55 Prozent der Nationalparkfläche als Naturzone ausgewiesen. In der Entwicklungszone befinden sich jetzt aber noch 5.236 Hektar, das sind 22 Prozent. Trotz der wertvollen Erkenntnisse zur positiven Entwicklung der Naturverjüngung und Biodiversität in den bestehenden Prozessschutzflächen im “alten” Nationalpark wird der Borkenkäfer in der Entwicklungszone des Erweiterungsgebietes bekämpft. Die Nationalparkverordnung erzwingt die Borkenkäferbekämpfung auf großer Fläche auch in zukünftigen Naturzonen, obwohl eine Notwendigkeit nur in der Randzone zu den anliegenden Privatwäldern von den Umweltverbänden gesehen wird.

Bis 2027 werden in der Entwicklungszone weiterhin Borkenkäferbekämpfungs-maßnahmen durchgeführt. Dies führt dazu, dass heute ein Gebiet kahlgeschlagen wird, um dann morgen in die sogenannte und streng geschützte Naturzone des Nationalparks überführt zu werden.

Im Erweiterungsgebiet wurden. bereits in den letzten Jahren steigende Holzmengen geerntet. Die größten Mengen wurden 2010 mit 135.500 fm verzeichnet. ((Die Zahlen stimmen nicht ganz: 2010 lag der Holzeinschlag bei 141.035 fm. Der höchste Holzeinschlag wurde 2011 mit 160.573 fm realisiert. Siehe Jahresberichten 2011, S. 5)) Dies übertrifft auch die vor Einrichtung des Nationalparks im Falkensteingebiet üblichen Holzmengen von 35.000 – 45.000 fm pro Jahr bei weitem.

Nach dem Sturm Meikel im Juli 2011, der 72.500 fm Windwurf in den Entwicklungs- und Randzonen erzeugte, wurde gefordert, die Bäume des Windwurfs in den Entwicklungs-, und somit zukünftigen Naturzonen, des Nationalparks zu belassen. Dennoch wurden nur ca. 100 ha der Windwurffläche in die Naturzone umgewidmet, der große Anteil des Windwurfs wurde aber in den letzten Monaten weitestgehend aus dem Nationalpark geräumt. ((siehe Tricksen: Fehlende Vergleichsmöglichkeiten – das Beispiel der Entwicklungszone des Falkenstein-Rachel-Gebiets))

Die Windwurfräumungen und die Kahlschläge zur Borkenkäferbekämpfung richten im Fichtenhochlagengebiet gravierende Schäden -an: Naturverjüngung und Böden werden stark beschädigt und die natürliche Dynamik mit ihrer Artenvielfalt weitgehend unterbunden. Damit verstoßen die Maßnahmen auch gegen die Erhaltungsziele des Natura2000 Gebietes (6946-301).

Die internationale Bedeutung des Nationalparks Bayerischer Wald als Lernfläche für konsequenten und erfolgreichen Prozessschutz ist insbesondere durch mehrjährige und unangemessene Borkenkäferbekämpfung stark gefährdet.

Ein beunruhigendes Anzeichen ist die aktuell geführte Debatte um den Sumava-Nationalpark in Tschechien. Die Nationalparkdebatte im Sumava wird von der tschechischen Regierung nicht mit den Erkenntnissen und Bildern aus dem Nationalpark Bayerischer Wald – mit der natürlichen Regeneration im Rachel-Lusen-Gebiet – geführt, sondern die Kahlschläge am Lackenberg, Kiesruck und Hahnenbogen dienen den offiziellen Stellen als Vorbild für den Sumava-Nationalpark. Im Sumava ist dadurch eine deutliche Verschlechterung der Nationalparkverordnung mit einer festgeschriebenen strengen Naturzone von weniger als 25 Prozent zu erwarten.

Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie sich in diesem Sinne für einen effektiven Naturschutz im Nationalpark einsetzen würden.

Mit freundlichen Grüßen
Lazlo Maráz und Volker Oppermann

 

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