Sinner

“Wald […] ist eben in der Volksmeinung nur ein grüner Wald, der aus alten Bäumen besteht. Dürre abgestorbene Altbäume, auch wenn sich darunter bereits üppiger Waldwuchs entwickelt, gelten als zerstörter Wald und Borkenkäfermassenvermeh-rungen als Naturkatastrophen. Dabei […] sind sie […] nichts anderes als natürliche Vorgänge im Leben eines Waldes.”
Hans Bibelriether ((Hans Bibelriether, Natur Natur sein lassen, in: Peter Prokosch (Hg.), Ungestörte Natur – Was haben wir davon, Tagungsbericht 6 der Umweltstiftung WWF-Deutschland, Husum 1992, S. 93))

 

Zucker für den Affen

Das Tagesgeschäft eines Politikers ist, für die Sache, von der er überzeugt ist, Mehrheiten zu organisieren. Ein guter Politiker leistet Überzeugungsarbeit. Die Sache, bei der es bei einem NLP geht, ist der Prozessschutz: Es geht darum, Natur Natur sein zu lassen. In einem NLP darf der Borkenkäfer fressen. Von dieser Sache ist Eberhard Sinner nicht überzeugt. Und so leistet er auch keine Überzeugungsarbeit bei der lokalen Bevölkerung. Sinner:

“Die Natur geht ihre eigenen Wege, und diese Wege sind auf den ersten Blick manchmal nicht nur menschenfreundlich, sondern menschenfeindlich.” ((Protokoll, S. 6120, linke Spalte, 3. Absatz, Hervorhebungen von mir))

Das Problem bei Sinner: Es gibt bei ihm keinen zweiten Blick. Wie die Figur rechts in der Karikatur von Haitzinger blickt er stur nach oben. Seine Aufgabe als Politiker wäre es, den Bürgern zu zeigen, dass der Wald sich erneuert und verjüngt, wie es die Figur links vormacht. Sinner ist ganz Förster und die haben seit 120 Jahren nichts dazugelernt: Wie “Forstexperte” Schwappach im Jahr 1875 sieht er “soweit das Auge reicht […] abgestorbene Bestände”. ((Protokoll, S. 6120, linke Spalte, 5. Absatz))

Blickwinkel_LusenInformationstafel am Erlebnisweg Hochwaldsteig am Simandlruck

Am Ende hat er “sehr viel Verständnis für die Probleme der Bürger”. Sinner passt den NLP an die Nationalparkgegner an. Er spricht das ganz offen aus: Es war möglich, “die Verordnung ((Sinner meint die NP-VO.)) so zu ändern, dass die wesentlichen Anliegen der Bevölkerung aufgenommen werden konnten”. ((Protokoll, S. 6120, rechte Spalte, 4. Absatz, Hervorhebungen von mir)) Hauptänderung war § 14.

Dass man mit den so genannten “Anliegen der Bevölkerung” auch anders umgehen kann, beweist ein Artikel des SPIEGELs aus dem Jahr 1997. Im Gegensatz zu Eberhard Sinner nimmt die Autorin Alexandra Rigos die Nationalparkgegner gerade nicht ernst. Und dies zu Recht, denn:

Rational lässt sich der Zorn auf das Regiment der Naturschützer ((gemeint ist die NLP-Verwaltung unter ihrem damaligen Chef Hans Bibelriether)) ohnehin nicht erklären. Fragt man Ludwig Geier, den zweiten Vorsitzenden der Nationalparkbetroffenen, was ihn persönlich betroffen macht, erzählt er eine Provinzposse nach der anderen: von dem kleinen Jungen, dem ein Ranger verbot, ein Stückchen in den Rachelsee zu tauchen; oder von dem 75jährigen Greis, der ein Bußgeld zahlen musste, weil er auf einem verbotenen Weg vom Rachel zum Lusen wanderte. ‘Die Menschen werden ausgesperrt’, klagt Geier. Zwar durchziehen mehr als 200 Kilometer Wanderwege das Gebiet, doch vielen Waldlern geht es ums Prinzip. Keiner von ihnen verfiele auf den Gedanken, sich frei in Nachbars Vorgarten bewegen zu wollen; im Nationalpark hingegen mutiert manch ein gesetzestreuer Bürger zum Marlboro-Mann und pocht trotzig auf sein Recht, auch noch auf dem letzten Quadratmeter einigermaßen intakter Natur herumtrampeln zu dürfen.” ((Die Wut der Waldler, Der Spiegel 47/1997, S. 225))

Die Nationalparkgegner haben keine Argumente. Sie erzählen Provinzpossen. Sie handeln irrational. Sie sind aus Prinzip dagegen. Sie sind herumtrampelnde Trotzköpfe.

 

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